Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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832 Ute H. -Osterkamp<br />
(l980b, 107). Bekanntlich ist jedoch die ökonomische Unabhängigkeit weder<br />
durch die Berufstätigkeit gewährleistet, noch die Fremdbestimmtheit der Existenz<br />
mit der Tatsache gefaßt, daß man im allgemeinen weisungsgeb<strong>und</strong>en arbeitet.<br />
Ökonomische Abhängigkeit <strong>und</strong> Fremdbestimmtheit der Existenz bestehen<br />
vielmehr darin, daß die Produktion nicht an der Befriedigung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
der Bedürfnisse aller Menschen, sondern an der Steigerung der Profite<br />
orientiert ist. Das heißt aber: daß die Mehrheit der Menschen gezwungen ist,<br />
zur Absicherung ihrer individuellen Existenz ihre Arbeitskraft zu verkaufen<br />
<strong>und</strong> damit zugleich die Macht zu stabilisieren, die sie in der prinzipiellen Abhängigkeit<br />
<strong>und</strong> Fremdbestimmtheit der Existenz hält.<br />
Ökonomische Unabhängigkeit, Sicherheit <strong>und</strong> die Überwindung der Fremdbestimmtheit<br />
der Existenz lassen sich nicht individuell, sondern nur gesamtgesellschaftlich<br />
erreichen. Solange der Wert der einzelnen an ihrer Verwertbarkeit<br />
<strong>für</strong> die Interessen anderer gemessen wird <strong>und</strong> die Menschen als nutzlos beiseitegeschoben<br />
werden, sobald diese Verwertbarkeit nicht mehr gewährleistet ist,<br />
<strong>und</strong> solange dieses »Schicksal« potentiell jeden bedroht, kann von ökonomischer<br />
Unabhängigkeit <strong>und</strong> selbstbestimmter Entwicklung keine Rede sein. Die<br />
prinzipielle Austauschbarkeit <strong>und</strong> Bedeutungslosigkeit der arbeitenden Menschen<br />
in der kapitalistischen Gesellschaft <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Notwendigkeit,<br />
die Verwertbarkeit <strong>und</strong> Existenzberechtigung der eigenen Person immer<br />
erneut unter Beweis zu stellen, wirken sich dabei bis in die privatesten Beziehungen<br />
aus, die wesentlich durch die je individuelle Bedürftigkeit <strong>und</strong> Verunsicherung<br />
bestimmt sind.<br />
Dieses Urtrauma der menschlichen Existenz unter kapitalistischen Verhältnissen,<br />
nämlich die Anerkennung <strong>und</strong> Unterstützung der anderen nur in dem<br />
Maße zu erhalten, wie man deren unmittelbaren Bedürfnissen <strong>und</strong> den daraus<br />
erwachsenden Vorstellungen <strong>und</strong> Erwartungen entspricht, d.h. aber, fortwährend<br />
gezwungen zu sein, die nichtkonformen Regungen <strong>und</strong> Mängel zu verbergen,<br />
sich selbst zu verleugnen, ständig auf dem Prüfstand zu stehen <strong>und</strong> in der<br />
Gefahr zu sein, zu versagen, zu enttäuschen, fallengelassen zu werden etc.,<br />
wird dem einzelnen in unserer Gesellschaft schon von frühester Jugend an vermittelt.<br />
Genau diese Angst, nicht akzeptiert, beiseitegeschoben <strong>und</strong> damit in<br />
seinen Lebensmöglichkeiten extrem bedroht zu sein, ist die Basis <strong>für</strong> die sogenannte<br />
Unterwerfungsbereitschaft.<br />
Die Aussage, daß diejenigen, die sich unterwerfen, nicht nur Opfer, sondern<br />
auch Täter sind, ist somit entweder banal oder falsch. Banal insofern, als die<br />
Unterwerfung natürlich immer von den Individuen selbst mitvollzogen wird,<br />
ja gerade der Erhaltung ihrer Handlungsfähigkeit innerhalb fremdbestimmter<br />
Verhältnisse dient. Falsch, wenn aus der Tatsache, daß die Menschen die Unterwerfung<br />
selbsttätig praktizieren, die Schlußfolgerung gezogen wird, daß sie<br />
das »freiwillig« tun. Genausogut könnte man den Lohnarbeitern die Verantwortung<br />
da<strong>für</strong> anlasten, daß sie ihre Arbeitskraft verkaufen: Täten sie es<br />
nicht, gäbe es keine Ausbeutung mehr.<br />
Täter sind jedoch alle, die sich unterwerfen, in dem Sinne, daß jeder, der innerhalb<br />
der Verhältnisse der Fremdbestimmtheit sein individuelles Auskommen<br />
sucht, die Unterdrückungsverhältnisse nicht nur mit seiner Unterwerfung