Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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DAS ARGUMENT 136/1982 ©<br />
<strong>Arbeitsteilung</strong> <strong>und</strong> <strong>Ideologie</strong> 801<br />
senschaft. Wissen ist abstrakt, ist etwas <strong>für</strong> »die da«. Die Forscher des »Projekts<br />
Automation <strong>und</strong> Qualifikation« (P AQ) faßten das, was sie in vielen verschiedenen<br />
Formulierungen, Haltungen <strong>und</strong> Gesten von Arbeitern beobachtet<br />
hatten, in den einfühlsamen Satz zusammen: »Das Wissen kommt die Stufen<br />
herab ...« (PAQ 1980, 143) »Wissen« wird vom normalen Arbeiter spontan als<br />
etwas empf<strong>und</strong>en, was mit der Oben/Unten-Achse zusammenhängt. Streng<br />
genommen ist das sehr fragwürdig, es gibt schließlich Lohnwissenschaftler,<br />
Lohntechniker oder was immer. Wissenschaft kann auch eine Lohnarbeit sein.<br />
Es sind sek<strong>und</strong>äre Trennungen, die den Lohnwissenschaftler immer noch zum<br />
Privilegierten machen im Vergleich zum Lohnschlosser. Aber im Prinzip ist<br />
Wissen zunächst nicht identisch mit Staat. Andererseits stimmt das spontane<br />
Vorurteil eben doch.<br />
Wir wechseln jetzt auf die Seite des Intellektuellen. Ich rede nun über meinesgleichen.<br />
In der Ankündigung dieses Vortrags habe ich mein Buch Der Zeitungsroman<br />
oder Der Kongreß der Ausdrucksberater als Vorbereitungsliteratur<br />
angegeben. Das war kein Scherz, obwohl das Buch eine Realsatire ist. Es ist<br />
ein Buch über gewisse Leistungen von Meinesgleichen. In der Anordnung der<br />
Zuständigkeiten ist es nämlich so: Es gibt ein Heer von Intellektuellen; diese<br />
sind von der wirklichen Machtausübung abgeschnitten. Sie sind aber auch von<br />
der produktiven Arbeit abgeschnitten, wenn man darunter versteht: Teilnahme<br />
am Herstellen des Lebensnotwendigen. Sie sind also doppelt abgeschnitten. Sie<br />
führen eine merkwürdige Existenz. Ein Name <strong>für</strong> ihren gesellschaftlichen Ort<br />
ist »der Elfenbeinturm«. Etwas handfestere Namen, die auch zu verstehen geben,<br />
wie etwas Geld in den Elfenbeinturm fließt, sind »Drittes Programm«<br />
oder, <strong>für</strong> höhere Ränge von Akademikern, »Universität Konstanz« usw. Doppelt<br />
abgetrennt, von der wirklichen Herrschaftsmacht wie der Produktion, haben<br />
wir doch gesellschaftliche Funktionen, die zu tun haben mit der Bildung,<br />
Aufrechterhaltung, Rechtfertigung, aber auch Verwaltung bestimmter Arten<br />
von gesellschaftlicher Macht. Die Bedeutung des Begriffs »Intellektueller«<br />
schwankt im konkreten Gebrauch außerordentlich. Wenn wir darunter die<br />
akademisch Ausgebildeten verstehen, die Berufen nachgehen, <strong>für</strong> die solche<br />
Ausbildung den Zugang öffnet, dann läßt sich die größte Gruppe von Funktionen<br />
folgendermaßen bestimmen: Die Akademiker in diesem Sinn stellen die<br />
»Beamten« aller ideologischen Mächte, im Politischen, in der Justiz, der Kirche,<br />
der Schule, der Psychiatrie usw. Neben diesem Millionenheer von Beamten<br />
aller ideologischen Mächte gibt es ein kleineres Heer von solchen, die als<br />
»Freischaffende« bestimmten ideologischen Mächten zuordenbar sind, die<br />
freien Mitarbeiter der Sender, »Autoren« aller Art. Dann gibt es eine formell<br />
<strong>und</strong> inhaltlich stark davon unterschiedene Gruppe, deren gesellschaftlicher Ort<br />
die Agenturen direkter Zuarbeit <strong>für</strong>s Kapital sind, insbesondere die riesige<br />
Gruppe - mit jährlichem Milliardenumsatz -, die <strong>für</strong> Werbung, Public Relations<br />
<strong>und</strong> Ähnliches zuständig ist. Die Hauptfunktion dieser Gruppe ist es, <strong>für</strong><br />
diejenigen, die reale Macht ausüben, die wirklich entscheiden, die Begründungen<br />
zu liefern, die man denen, über die entschieden wurde, vorlegen kann. Den<br />
Unternehmern arbeiten sie die Formen aus, in denen sie sich gegenüber den<br />
Unternommenen ausdrücken, <strong>für</strong> den Warenverkauf die Begründung, warum