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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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810 FriggaHaug<br />

zu Haug, F., 1981, 2). Aus dem bisher skizzierten Dilemma erfahrungsarmer<br />

<strong>Theorie</strong> <strong>und</strong> theoriearmer Erfahrung möchte ich einen Vorschlag kollektiver<br />

Empirie präzisieren: die Erinnerungsarbeit (vgl. dazu Projekt Frauengr<strong>und</strong>studium,<br />

1980 <strong>und</strong> 1982). Um herauszufinden, wie das Leben der vielen im einzelnen<br />

geschieht, müßten wir es besichtigen. Eine Möglichkeit ist es, Geschichten<br />

zu schreiben, Alltagsskizzen <strong>und</strong> ledermanns-Erlebnisse von uns aufzuzeichnen<br />

(vgl. dazu Haug [Hrsg.] 1980). Um zu vermeiden, daß so das Alltägliche<br />

begriffslos <strong>und</strong> vorurteilsvoll bloß verdoppelt wird, gilt es, diese Notizen kollektiv<br />

zu bearbeiten. Um die soziale Konstruktion, die Mechanismen, Verknüpfungen,<br />

Bedeutungen unserer Taten <strong>und</strong> Empfindungen herausarbeiten<br />

zu können, müssen wir historisch vorgehen. Der Vorschlag, der also die Tugenden<br />

der Erfahrungsgruppen beibehalten will, die Verhältnisse im Großen<br />

mit dem Leben im Kleinen zu verknüpfen <strong>und</strong> die Untugenden vermeiden<br />

möchte, im begriffslosen »Kleinen« auf das Gesamt zu verzichten, heißt: kollektive<br />

Erinnerungsarbeit zu leisten. Die Betonung liegt auf kollektiv, auf Erinnerung<br />

<strong>und</strong> auf Arbeit. Das Resultat ist eine notwendige genußvolle neue große<br />

Empirie.<br />

Der Vorschlag ist in dieser Verknüpfung neu. Die einzelnen Bestandteile jedoch<br />

werden seit einiger Zeit diskutiert. Das macht die Durchführung leichter<br />

<strong>und</strong> schwieriger. Überall trifft man auf Vorarbeiten, zugleich wird man beschuldigt,<br />

Grenzen nicht einzuhalten. Das trifft die Bereiche: sozialwissenschaftliche<br />

Methode; Literatur; den Streit um Erfahrung <strong>und</strong> um Sprache <strong>und</strong><br />

ihre Bedeutung, um Kultur <strong>und</strong> <strong>Ideologie</strong>.<br />

Ich werde versuchen, bei der Präzisierung des Verfahrens die Streitpunkte,<br />

wo nicht ausführlich zu benennen, sie jedenfalls in meine Ausführungen operativ<br />

einzubeziehen.<br />

Subjekt <strong>und</strong> Objekt<br />

In den empirischen Sozialwissenschaften streitet man seit langem darum, ob<br />

der Mensch als Gegenstand von Forschung nicht seiner menschlichen Spezifik,<br />

der Tatsache, daß er selbst handelndes Subjekt ist, eben nicht Objekt, beraubt<br />

werde. Kann man auf Menschen wie auf Insekten blicken? (vgl. dazu insbes.<br />

Adorno, 1969, <strong>und</strong> Haug, F., 1978) Bewegungen, Eigenschaften, Verhaltensweisen<br />

als feste Dinge erfassen? Das geht von Anweisungen an Interviewer, die<br />

möglichst unauffällig zu sein haben, damit sie das Feld nicht durch ihr eigenes<br />

Menschsein verunklaren, bis zu Vorschlägen, umgekehrt, das Interview zu Erziehungszwecken<br />

zu benutzen, das Feld anders zu verlassen als man hineinging.<br />

Im Kern des Hin <strong>und</strong> Her um die geeignete Mensch-Forschung, um das<br />

Verhältnis von Subjekt <strong>und</strong> Objekt in der Forschung, steht die Auffassung von<br />

dem, was der Mensch ist <strong>und</strong> was man mit ihm vorhat. Gilt es, seine Verhaltensweisen<br />

zu erforschen, um ihn vom Standpunkt einer Regierung besser<br />

steuern zu können oder faßt man ihn als gesellschaftliches Wesen, das sich<br />

selbst seiner Taten <strong>und</strong> ihrer strukturellen Behinderungen bewußt wird, um<br />

eingreifend zu verändern, das die Welt <strong>für</strong> menschliche Zwecke umbauen will?<br />

Man hört an den Formulierungen: wir ergreifen Partei <strong>für</strong> den aufrechten<br />

Menschen, der den Verhältnissen nicht bloß ausgeliefert ist. Diese Parteinahme

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