Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Die unsoziale Familie 825<br />
lienmutter hat mehr Gewicht als die Blutsverwandtschaft. Wir irren also, wenn<br />
wir meinen, die Familie hätte Verwandtschaftsfunktion.<br />
Der entscheidendste Aspekt der Familienideologie ist, daß die gesamte Gesellschaft<br />
von ihr durchtränkt ist, in einem sehr spezifischen Sinne. Man kann<br />
von der Gesellschaft als einer familialisierten sprechen. Nehmen wir als Beispiel<br />
die Schule, das Krankenhaus oder irgendeine andere öffentliche Einrichtung.<br />
Wir finden, daß die <strong>Arbeitsteilung</strong> in ihnen gewöhnlich dem Muster der<br />
familiären <strong>Arbeitsteilung</strong> entspricht. Männer sind in strukturellen Positionen<br />
mit disziplinierender <strong>und</strong> ausführender Macht, Frauen in Stellungen mit betreuenden,<br />
pflegerischen <strong>und</strong> vermittelnden Funktionen. Dieses Muster findet<br />
sich im Erziehungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen, in der Sozialarbeit usw., in <strong>Institut</strong>ionen,<br />
die nach dem Modell der Familienideologie aufgebaut sind. Die Normen<br />
der Familie nehmen immer stärker Einfluß auf die Organisation gesellschaftlicher<br />
<strong>Institut</strong>ionen, die gewöhnlich als von der Familie sehr verschieden<br />
angesehen werden. Wir müssen uns bewußt machen, daß das Familienmodell,<br />
das so häufig in der Familienideologie <strong>und</strong> den Medien erscheint, ein sehr spezifisches,<br />
historisch bestimmtes Modell der Familie ist. Diese Vorstellung des<br />
Vaters, der diszipliniert <strong>und</strong> <strong>für</strong> den Unterhalt sorgt, der Mutter als Vollzeit<br />
Hausarbeiterin <strong>und</strong> der abhängigen Kinder, die zuhause wohnen <strong>und</strong> lange<br />
Zeit nicht <strong>für</strong> ihren eigenen Unterhalt verantwortlich sind, ist ein sehr neues<br />
Familienmodell. Wir stimmen den Historikern zu, die davon ausgehen, daß<br />
sich dieses spezifische Modell von Familienleben erst Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
als die Familienform der industriellen Bourgeoisie herausbildete. Das<br />
Ausmaß, in dem dieses ideologische Vorbild der richtigen Familie hegemonial<br />
wurde, ist interessant, denn das bürgerliche Muster wurde nicht nur <strong>für</strong> die<br />
proletarische Familie hegemonial, sondern auch <strong>für</strong> die aristokratische. Die<br />
Königliche Familie ist in der Hinsicht etwas langsam, hinkt der <strong>Ideologie</strong> hinterher.<br />
Sie betont, daß verschiedene wesentliche Merkmale der bürgerlichen<br />
Familienideologie, wie z.B. die Bande zwischen Mutter <strong>und</strong> Kind, nicht besonders<br />
wichtig seien. Krone <strong>und</strong> Aristokratie haben die Kindererziehung immer<br />
an Bedienstete delegiert. Das ändert sich jetzt, die Prinzessin von Wales wird<br />
die bürgerlichste Mutter der Königlichen Familie, denn sie ist überzeugt davon,<br />
daß die Mutter-Kind-Beziehung von großer Bedeutung ist. Sie hat bereits angekündigt,<br />
daß sie sich nicht von ihrem Kind trennen wird, um offizielle königliche<br />
Besuche im Ausland zu machen. Der Buckingham Palast ist darob sehr besorgt,<br />
weil man versucht, die aristokratische Form der Kindererziehung des 19.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts beizubehalten. Die Prinzessin von Wales dagegen hat bereitwillig<br />
die bürgerliche Vorstellung der Familie übernommen.<br />
Ich möchte an dieser Stelle betonen, daß auch die Linke gegen diese Familienideologie<br />
nicht immun ist, wir können sie schwer identifizieren <strong>und</strong> uns von<br />
ihr fernhalten, denn sie durchdringt die Gesellschaft vollständig <strong>und</strong> mit ihr<br />
auch die Linke. Da<strong>für</strong> ließen sich viele Beispiele anführen. In der britischen<br />
Bewegung <strong>für</strong> Frieden <strong>und</strong> Abrüstung gibt es eine starke Tendenz, die Familie<br />
<strong>und</strong> den Familiaiismus als ein Mittel der Rekrutierung einzusetzen. Da hängt<br />
z.B. in London zur Zeit ein Plakat der Friedensbewegung, auf dem in großen<br />
Buchstaben steht: »Die durchschnittliche britische Familie hat letztes Jahr 16<br />
DAS ARGUMENT 136/1982