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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Dumm <strong>und</strong> neidisch bis zur Revolution? 843<br />

von einer »beliebigen« Veränderung. Worum es geht ist, wie wir unsere Handlungsfähigkeit<br />

erweitern <strong>und</strong> <strong>für</strong> unsere Befreiung tätig werden können - in<br />

der Veränderung der Verhältnisse!<br />

Ich will an meinem eigenen Untersuchungs feld versuchen, das Problem zu<br />

verdeutlichen <strong>und</strong> den Nutzen der Erforschung der Gefühle <strong>und</strong> ihrer Veränderungsmöglichkeiten<br />

aufzuzeigen. Mein Interesse gilt Mädchen, die lange<br />

schon bevor sie die »objektive Widersprüchlichkeit der Berufstätigkeit« (831)<br />

erfahren haben, sich mit geringerer Aus- <strong>und</strong> Schulbildung zufriedengeben -<br />

sich im Verlaufe ihrer Sozialisation andere Prioritäten <strong>und</strong> Lebensziele setzen<br />

als Entfaltung im Beruf, die »sowieso irgendwann« heiraten wollen. Wie<br />

kommt es dazu, weshalb geben sie sich zufrieden?<br />

Eine Ursache ihres Desinteresses sind die objektiven Behinderungen in der<br />

schulischen Praxis, die üblichen Lehr- <strong>und</strong> Lernformen. Der Unterricht geht<br />

an ihnen »vorbei«, der Stoff weckt ihr Interesse nicht. Gegen die sie in ihren<br />

Entwicklungsmöglichkeiten behindernden Strukturen leisten sie Widerstand<br />

- sie verweigern sich dem Unterricht. Wie praktizieren sie diese Verweigerung?<br />

Eine bekannte Form des Sich-Entziehens ist (möglichst mit anderen<br />

Mädchen), während des Unterrichts auf die Toilette zu gehen, sich dort die<br />

Haare zu kämmen, das Make-up in Ordnung zu bringen, eine Zigarette zu rauchen<br />

etc. Sie leben offenbar die Behinderungen in der Schule, indem sie andere<br />

Praxen entwickeln, bzw. die schon in Ansätzen entwickelten ausbauen - gegen<br />

die Behinderungen. Was bedeutet das <strong>für</strong> ihre »Gefühle« - sowohl <strong>für</strong><br />

die, die an die schulischen Behinderungen geknüpft sind, als auch <strong>für</strong> die, die<br />

mit den »anderen« Praxen verb<strong>und</strong>en sind?<br />

Befragen wir Ure Osterkamps Angebot zum Begreifen der Emotionen. Sie<br />

untersucht Emotionen hinsichtlich ihrer Funktion <strong>für</strong> individuelles Handeln.<br />

Sie sind Bewertungen der Umweltgegebenheiten gemessen am subjektiven Befinden<br />

<strong>und</strong> den Handlungs-/Eingriffsmöglichkeiten ihnen gegenüber. Die Negativ-Bewertung<br />

der Umwelt gemessen am subjektiven Befinden kann als<br />

»Antrieb« <strong>für</strong> veränderndes Eingreifen in die Umweltgegebenheiten verstanden<br />

werden. Wenn allerdings die Umweltgegebenheiten widersprüchlich, »die<br />

durch die anderen erfahrenen Unterstützungen ambivalent« sind, das Individuum<br />

also durch veränderndes Eingreifen Konflikte antizipieren muß, ist die<br />

Umsetzung der durch die Emotionalität gegebenen Handlungsimpulse behindert.<br />

Die Emotionalität kann sich »von einer Instanz zur Ermöglichung in eine<br />

Instanz zur Verhinderung von Handlungen zur Verbesserung der eigenen Lebensumstände«<br />

verkehren (H.-Osterkamp 1978, 22).<br />

Kommen wir zurück zu den Mädchen, die Anlaß waren <strong>für</strong> die Darstellung<br />

Ute Osterkamps Emotionsmodell. Dieses auf die oben geschilderte Situation<br />

angewandt heißt: die negativen, ablehnenden Emotionen gegenüber dem schulischen<br />

Unterricht sind Resultat objektiver Behinderungen - diese müssen angegangen<br />

werden. Wer soll dies tun? Wollen die Mädchen sie verändern? Was<br />

hält sie davon zurück? Hier würde Ute Oster kamp möglicherweise auf die Widersprüche,<br />

die geringe soziale Abgesichertheit - kurz: auf die Faktoren hinweisen,<br />

die die Emotionen zu »einer Instanz der Verhinderung von Handlungen<br />

...« werden lassen. Bleibt nach Ute Osterkamp nur die Möglichkeit der Re-<br />

DAS ARGU~IENT 136/1982

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