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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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858 Edgar Gärtner<br />

täts-Stabilitäts-Hypothese zwn zentralen Dogma der Ökologie erhoben (vgl. insbes.<br />

Odum 1969). Danach steigt im Zuge der Sukzession die Selbstregulierungsfahigkeit bzw.<br />

Stabilität eines Ökosystems mit der Zahl der an ihm beteiligten Organismenarten. Da die<br />

Menschen jedoch in der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft nicht an artenreichen, aber unproduktiven<br />

Spätstadien der Sukzession interessiert seien, sondern an artenarmen <strong>und</strong> deshalb<br />

labilen, aber hochproduktiven Frühstadien, komme es zu einem ständigen »Konflikt<br />

zwischen Ökonomie <strong>und</strong> Ökologie«, dessen Kompromißlösung nur in einer mosaikhaften<br />

Auf teilung intensiver <strong>und</strong> extensiver Naturnutzungen liegen könne (151).<br />

Diese Vorstellung wurde auf dem 1. Internationalen Ökologenkongreß einer scharfen<br />

Kritik unterzogen (D. Goodman 1974; G.H. Orians 1974). Eigentlich sollte bereits der<br />

Hinweis auf die große Dauerhaftigkeit solcher natürlichen Monokuituren wie Buchenwälder<br />

oder Schilfgürtel genügen, um die Diversitäts-Stabilitäts-Hypothese ins Wanken<br />

zu bringen.<br />

2. W. Tischler: Einführung in die Ökologie. 2. überarb. <strong>und</strong> erw. Auflage, Stuttgart-New York<br />

(Guslav Fischer Verlag) 1979, 305 S.<br />

Dieses Buch bildet den Gegenpol zum ersten. Sein Autor repräsentiert den Typ eines<br />

Wissenschaftlers, der leider im Aussterben begriffen ist. Das Buch ist gespickt mit Goethe-,<br />

Schiller-, Herder- <strong>und</strong> anderen Klassiker-Zitaten, es offenbart Mißtrauen gegenüber<br />

Formalisierungen <strong>und</strong> berücksichtigt eine Vielzahl (die Bibliographie umfaßt 753 Arbeiten!)<br />

von Beiträgen aus aller Welt (einschließlich der Sowjetunion). Die Grenze z'Nischen<br />

einer Einführung <strong>und</strong> einem Kompendiwn ist stellenweise überschritten worden.<br />

Anders als Odum unterscheidet Tischler, im Anschluß an Remane (1950), zwischen<br />

der organismischen <strong>und</strong> der ökologischen Ordnung: Während die Differenzierung des<br />

Organismus aus inneren Anlagen erfolgt, geschieht die Zusammensetzung des Ökosystems<br />

aus fertigen Teilen, den Arten. Hier spielt deshalb der Zufall eine weitaus größere<br />

Rolle. Tischler betont deshalb die Einmaligkeit des historisch Gewordenen <strong>und</strong> warnt<br />

vor voreiligen Verallgemeinerungen <strong>und</strong> vor Illusionen hinsichtlich der Anwendung der<br />

Mathematik. Er stellt die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise Goethes gleichberechtigt<br />

an die Seite des analytisch-mathematischen Vorgehens Galileis <strong>und</strong> Newtons.<br />

Die Erklärungskraft der neodarwinistischen Selektionstheorie schätzt Tischler, ohne diese<br />

zurückzuweisen, skeptisch ein. Die Problematik von Diversität <strong>und</strong> Stabilität wird<br />

von Tischler nicht deutlich genug klargelegt. Er bemerkt lediglich, die Elastizität eines<br />

Ökosystems sei wichtiger als eine (oft nur scheinbare) Stabilität. Für die Stabilität eines<br />

Ökosystems sei die Heterogenität des Lebensraums meist viel wichtiger als die Artenmannigfaltigkeit.<br />

Den Begriff <strong>und</strong> die <strong>Theorie</strong> der Sukzession hält er nicht <strong>für</strong> sinnvoll,<br />

da der Begriff <strong>für</strong> unterschiedliche Phänomene verwendet werde <strong>und</strong> zudem auf wichtige<br />

Ökosysteme 'Nie die Meere, Flüsse, Wüsten <strong>und</strong> T<strong>und</strong>ren kaum anwendbar sei. Einen<br />

gesetzmäßigen Ablauf wie bei der Entwicklung eines Individuums könne es in Ökosystemen<br />

nicht geben.<br />

Tischler hält die <strong>Theorie</strong>n der Sukzession, des »biologischen Gleichgewichts« usw. <strong>für</strong><br />

den Ausfluß einer unzulässigen Übertragung des quantitativen Denkens von Physik <strong>und</strong><br />

Chemie in die Ökologie: »Erstaunlich ist die ständige Suche in der Ökologie nach f<strong>und</strong>amentalen<br />

Gesetzen". Hier liegt eine Verkennung der Gegebenheiten vor. Zu je größeren<br />

Lebenseinheiten man kommt, je mehr man die Manifestierung des Lebens in seiner Vielfalt<br />

erforschen will, desto geringer wird die Möglichkeit allgemeingültiger Aussagen ".<br />

Die Natur läßt sich in der höchsten Ebene der Lebensentfaltung nicht in wenige Regeln<br />

pressen. Wäre dies anders, so lieBen sich Erfolg oder Nichterfolg bei Eingriffen in die<br />

Landschaft". voraussagen. Das einzige durchgängige, quantitative Prinzip der Ökologie<br />

von Allgemeingültigkeit betrifft den großen Rahmen von Stoffkreislauf <strong>und</strong> Energietransfer<br />

in Ökosystemen. Aber gerade in der darauf aufbauenden Produktions biologie<br />

zeigt sich deutiich, 'Nie durch <strong>für</strong> Modellvorstellungen nötige Vereinfachung die beson-

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