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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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882 Besprechungen<br />

de Sache. Wo das alte, herrschende Paradigma seine Position verloren hat, ist es interessant<br />

zu sehen, in welcher Richtung wichtige Vertreter die neue Perspektive der Wissenschaft<br />

sehen. So sind derzeit Einführungen in die Psycholinguistik nicht einfach nur unter<br />

didaktischem Gesichtspunkt geordnete sichere Erkenntnisse, die den Interessierten in<br />

die Struktur <strong>und</strong> Geset=äßigkeiten des Gegenstandsbereichs einführen, sondern Ergebnisse<br />

einer wissenschaftstheoretischen <strong>und</strong> wissenschaftspolitischen Diskussion um<br />

die zukünftige Gegenstandsbestimmung <strong>und</strong> damit Forschungsausrichtung. Sie entstand<br />

in der Auseinandersetzung mit dem linguistischen Modell der Chomsky'schen Generativen<br />

Grammatik, die im Hinblick auf Sprachverarbeitung im Computer die Grammatik<br />

natürlicher Sprachen als formales System zu beschreiben suchte, das in der Psycholinguistik<br />

weithin realistisch interpretiert wurde, d.h. es wurden psychische sprachliche<br />

Prozesse daraufhin untersucht, wie sich in ihnen die von dieser Grammatik postulierten<br />

'generativen' Mechanismen manifestieren. Unterstellt wurde damit, daß dieses zunächst<br />

<strong>für</strong> ganz andere Zwecke erstellte Modell auch psychische Realität besitzt. Dieser Trend<br />

in der Psycholinguistik, die sich gleichzeitig auf linguistische <strong>und</strong> psychologische Modelle<br />

stützt, wurde zusätzlich unterstützt durch die amerikanische 'Cognitive Psychology',<br />

die allgemeine menschliche psychische Prozesse unter dem Gesichtspunkt computeranaloger<br />

Informationsverarbeitung zu beschreiben suchte. In einem System gegenseitiger<br />

Bestätigung dieser Art linguistischer <strong>und</strong> psychologischer Modelle konstituierte sich ein<br />

Forschungsparadigma, das über viele Jahre die Psycholinguistik dominierte.<br />

In der Konfrontation mit dem empirischen Gegenstand, aber auch über theoretische<br />

Reflexionen zum Status dieses Modells erwies sich jedoch, daß gesprochene <strong>und</strong> verstandene<br />

Sprache sich von jenen mathematischen <strong>und</strong> formallogischen Idealisierungen unterscheidet,<br />

<strong>und</strong> auch die Welt, in der Sprache sich ent",ickelt <strong>und</strong> funktioniert, eine andere<br />

ist als der abstrakte Modellraum der Linguisten. Der größte Teil der gegenWärtigen<br />

Diskussion in der Psycholinguistik läuft im Zusammenhang <strong>und</strong> in Auseinandersetzung<br />

mit diesem Paradigma. In dem Maße wie es seinen Glanz eingebüßt hat, wurden alte<br />

Gegenstands- <strong>und</strong> Problem bereiche der Sprachpsychologie auch wieder sichtbar, die<br />

lange ausgeblendet waren.<br />

Hans Hörmann, dessen Standardwerk 'Psychologie der Sprache' (seit 1970 in mehreren<br />

Auflagen erschienen) die Diskussion hierzulande mitgeprägt hat, beginnt seine 'Einführung<br />

in die Psycholinguistik' mit einer Darstellung der Geschichte <strong>und</strong> des Modells<br />

der durch das Chomsky-Modell bestimmten Psycholinguistik. Er macht hier sogleich<br />

den Charakter der Auseinandersetzung als Problem des Verhältnisses von Linguistik<br />

<strong>und</strong> Psychologie in der Psycholinguistik deutlich, wobei er <strong>für</strong> eine Emanzipation von<br />

der Linguistik plädiert. Weil aber die Auseinandersetzung <strong>und</strong> die Konsequenzen, die er<br />

zieht, nur aus dem alten Paradigma verstanden werden können, widmet er sich einer<br />

kurzen Einführung in dessen Terminologie, die er unter dem Titel 'Sprache-an-sich' behandelt.<br />

Die weiteren Kapitel bestimmen die zentralen Gegenstandsbereiche, die Hörmann<br />

aus seiner Definition des sprachpsych%gischen Interesses an der Sprache ableitet.<br />

Für die Psychologen, <strong>für</strong> die er seine Einführung gibt, soll die Funktion der Sprache,<br />

ihr Werkzeugcharakter im Lebensraum zwischen Menschen <strong>und</strong> Welt Basis <strong>und</strong> Mittelpunkt<br />

der Sprachpsychologie sein. Er behandelt deshalb die Bereiche Spracherwerb, die<br />

Probleme der Bedeutung, sowie Produktion <strong>und</strong> Verstehen sprachlicher Äußerungen.<br />

Zwei <strong>für</strong> die weitere Diskussion vielleicht relevante Konzepte verbinden sich mit diesem<br />

letzten Bereich, dem auch unter dem Titel 'Meinen <strong>und</strong> Verstehen' (1976) seit einigen<br />

Jahren Hörmanns Hauptinteresse gilt. Einerseits handelt es sich dabei um die Bestimmung<br />

der Funktion der Sprache, andererseits um das Konzept der Sinnkonstanz.<br />

Hörmann untersucht die Produktion von Äußerungen unter dem Gesichtspunkt der Intention<br />

des Sprechers, das Bewußtsein des Hörers zu lenken. Dies bedeutet neben der<br />

funktionalen Orientierung, im Gegensatz zu den bisher verbreiteten Strukturmodellen,

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