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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Soziologie 895<br />

bringen (114). Schon diese uneingeschränkte <strong>und</strong> un<strong>kritische</strong> Be<strong>für</strong>wortung des Wohlfahrtsstaates<br />

wirft eine Reihe von Fragen auf, die gerade von demokratischen Sozialisten<br />

wie Bottomore eigentlich nicht ausgespart werden dürften. Man braucht gar nicht böswillig<br />

zu sein, um Bottomore die Konzeption eines mehr oder weniger paternalistischen,<br />

auf die Verteilungsebene beschränkten Sozialismus zu unterstellen. Letztlich geht es ihm<br />

darum, »allen Menschen die Vorteile einer Produktionsweise zugänglich [zu] machen<br />

... , die auf der modemen Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie innerhalb der sowohl von den<br />

physischen als auch gesellschaftlichen Lebensbedingungen gesetzten Grenzen basiert.«<br />

(117) Wie aber steht es mit den Nachteilen dieser Produktionsweise <strong>und</strong> wie wären sie zu<br />

eliminieren, ohne das Ganze zu verändern, wie mit der hier anklingenden ungebrochenen<br />

Fortschrittsgläubigkeit in die Segnungen moderner Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie,<br />

wie steht es mit der politischen Emanzipation <strong>und</strong> Selbsttätigkeit der Massen, wie<br />

schließlich mit ökologischen Problemen? Fragen, die der ansonsten durchaus auf der<br />

Höhe der Diskussion stehende Verfasser nicht anreißt.<br />

Sein Plädoyer <strong>für</strong> einen demokratischen sozialistischen Wohlfahrtsstaat im Weltrnaßstab<br />

kommt allerdings nicht von ungefahr, wenn man seine staatstheoretischen Ausführungen<br />

liest. Bottomore, der einem von allen teleologischen <strong>und</strong> geschichts-philosophischen<br />

Resten gereinigten strukturalistischen Marxismus-Verständnis zuneigt, postuliert<br />

<strong>für</strong> die marxistische Staatstheorie: »Auch sie läßt sich nicht länger in teleologischer Gestalt<br />

als Darstellung eines geschlossenen Prozesses vorbringen, der mit 'staatslosen' Urgesellschaften<br />

einsetzt, sodann eine bestimmte Reihenfolge von Klassengesellschaften<br />

durchläuft, in denen der Staat entsteht <strong>und</strong> sich weiterentwickelt <strong>und</strong> schließlich in einer<br />

höheren Form von Urgesellschaft, die wiederum 'staatslos' ist, seinen Abschluß findet.<br />

Stattdessen muß diese <strong>Theorie</strong> Staatsformen mit bestimmten sozio-ökonomischen<br />

Strukturen in Beziehung setzen, ohne sie jedoch als Ganzes in eine historische Abfolge<br />

zu bringen, <strong>und</strong> Veränderungen im Staat durch die Eigentümlichkeiten der Struktur jeder<br />

besonderen Gesellschaftsform, die eine strukturelle Umwandlung hervorrufen, erklären.«<br />

(58)<br />

Ein mögliches Ende von Entfremdung, die Überv.'indung antagonistischer Gesellschaftsformen<br />

oder auch das Absterben des Staates verweist er illusions los ins Reich spekulativer<br />

Geschichtsphilosophie. Was bleibt, ist ein auf Sozialwissenschaft reduzierter<br />

Marxismus, der die Bedingungen der Möglichkeit des Übergangs von einer Gesellschaftsformation<br />

zu einem anderen, unbekannten <strong>und</strong> nicht notwendigerweise auch höheren<br />

Gesellschaftstyp analysiert.<br />

Bottomore reiht sich damit ein in die Reihe derjenigen Theoretiker, angefangen bei<br />

Bernstein, Max Adler etc. bis hin zu jüngeren eurokommunistischen Autoren, <strong>für</strong> die<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> <strong>Ideologie</strong>, Analyse <strong>und</strong> politische Option unverb<strong>und</strong>en nebeneinander<br />

stehen. Die Absage an das marxistisch-leninistische Gedankenimperium, verstanden<br />

als allumfassende, wissenschaftlich begründbare Weltanschauung erteilt er in aller Deutlichkeit.<br />

- Vieles an seinem Buch ist anregend, manches reizt zum Widerspruch oder<br />

provoziert doch zumindest Fragezeichen, aber vielleicht nur deshalb, weil Bottomore<br />

auf den 117 Seiten seiner Einführung vieles nur knapp <strong>und</strong> daher manchmal etwas verkürzt<br />

darstellt.<br />

Karin Priester (Münster)<br />

Ebbighausen, Rolf: Politische Soziologie. Zur Geschichte <strong>und</strong> Ortsbestimmung. Westdeutscher<br />

Verlag, Opladen 1981 (248 S., br., 26,80 DM)<br />

Ebbighausen, Schüler des Mentors der westdeutschen Politischen Soziologie, Otto<br />

Stammer, <strong>und</strong> diesem in Methode <strong>und</strong> Fragestellung verpflichtet, legt einen Überblick<br />

über die Entwicklung der Politischen Soziologie in der B<strong>und</strong>esrepublik (<strong>und</strong> in Westberlin)<br />

vor. Sie ist »stärker wissenschaftshistorisch <strong>und</strong> problemgeschichtlich orientiert als<br />

die bisher vorliegenden Einführungen in die Politische Soziologie« (5). Er zeichnet die<br />

DAS ARGUMENT 13611982 c

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