Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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816 FriggaHaug<br />
mit Gegenerfahrungen konfrontieren. Auch dies ist eine Aufgabe des Kollektivs.<br />
Eine andere Weise, sich mit Unerträglichkeiten zu arrangieren, ist das<br />
Schweigen. In den Erinnerungen tritt es auf als Leerstelle <strong>und</strong> als Bruch. Die<br />
Erkenntnis, daß man das Verschwiegene erforschen muß, der Versuch, <strong>Theorie</strong>n<br />
daraufhin zu untersuchen, worüber sie nicht sprechen, war <strong>für</strong> die Frauenbewegung<br />
von großer Bedeutung (vgl. dazu insbes. Irigaray, 1980). Schließlich<br />
hatten wir uns schon so daran gewöhnt, in der Geschichte nicht vorzukommen,<br />
daß wir im eigenen Denken <strong>und</strong> Sprechen diese Absehung von der bloßen<br />
Existenz von Frauen mitmachen. Verschwiegenes zu hören, die Leere zu<br />
sehen, ist zunächst schwierig, erfordert ein eigenes detektivisches Training (vgl.<br />
dazu auch: SöUe, 1981). Aber schon allein der Gedanke, daß es so etwas überhaupt<br />
gibt <strong>und</strong> daß es von Bedeutung ist, das Wahrnehmungsfeld strukturiert,<br />
das Handeln mit orientiert, schult dieses detektivische Herangehen mit einem<br />
Ruck. Die kollektive Diskussion über das Schweigen in den Geschichten ist besonders<br />
genußvoll, weil sie schöpferische Ergänzungsleistungen verbindet mit<br />
der Entdeckung, daß verschiedene Standpunkte unterschiedliche Sichtweisen<br />
erbringen <strong>und</strong> daß man einen eigenen Standpunkt besitzt, der mit der herkömmlichen<br />
Sichtweise auf die Dinge in Konflikt gerät, selbst wenn man diese<br />
bislang akzeptiert hatte.<br />
Diese Frage von Standpunkt <strong>und</strong> Interesse ist überhaupt eine Schulung in<br />
Handlungsfähigkeit. Gewöhnlich erlebt <strong>und</strong> schreibt man so, daß einem etwas<br />
widerfährt, unbekannte Mächte organisieren das Leben <strong>für</strong> uns, personifiziert<br />
in schlechten Charakteren. Die Taten der anderen erklären sich aus ihren Eigenschaften,<br />
wir selber sind ihnen ausgeliefert. Ich möchte behaupten, daß eine<br />
solche Sichtweise auf andere Menschen zu Handlungsunfähigkeit führen<br />
muß, bestenfalls zur Klage. Die theoretische Einsicht, daß die anderen Personen<br />
- wie man selber - aus unterschiedlichen Interessen handeln, legt bei der<br />
Bearbeitung der Geschichten das Gewicht auf die Ausgestaltung der Personen<br />
mit begreifbaren Interessensmotiven. Dieser Schritt in der Bearbeitung ist einer,<br />
der die größte Umorganisation unmittelbar nach sich zieht. Die Mühe, die<br />
anderen Personen in ihren Bedingungen <strong>und</strong> Interessen vorzuführen, verändert<br />
die Sichtweise auf die eigene Person im Handlungsgefüge. Aus einem Opfer<br />
von Verhältnissen <strong>und</strong> Personen wird eine Gestalt, die mit den Bedingungen<br />
<strong>und</strong> Personen arbeitet. Daß diese Erkenntnis nicht nur <strong>für</strong> das Schreiben<br />
wichtig ist, sondern <strong>für</strong> das Politikmachen überhaupt, erfährt man auch, wenn<br />
Frauen über Niederlagen in politischen Kämpfen berichten, z.B. als Schwierigkeit,<br />
Bündnisse zustandezubringen.<br />
Zusammenfassung<br />
Ich breche die Vorführung der Bearbeitungsschritte an dieser Stelle ab, um<br />
meinen praktischen Vorschlag wieder in den anfanglichen Kontext zu stellen.<br />
Um ihn diskutierbar zu machen, fasse ich noch einmal zusammen, was er leisten<br />
sollte. Ich begann mit der Langeweile in der Ökonomie im Großen <strong>und</strong><br />
brachte dies in Zusammenhang mit der Unbegriffenheit alltäglicher Praxen im<br />
Kleinen, insbesondere der weiblichen in ihrer Orientierung auf die Versorgung<br />
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