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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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834 Ute H.-Osterkamp<br />

Statt nach den Bedingungen zu fragen, die den Bewährungsdruck setzen <strong>und</strong><br />

die Entwicklung als Überwindung der eigenen Unzulänglichkeit <strong>und</strong> Unvollkommenheiten<br />

bestimmen, schlägt F. H. in ihrem Entwicklungskonzept die<br />

Perfektionierung der Absicherung vor: Die spezifische Absicherung der Männer,<br />

sich als Allro<strong>und</strong>-Genie zu gebärden <strong>und</strong> die Mitwelt durch die eigene<br />

Überlegenheit so zu beeindrucken, daß nach Möglichkeit überhaupt erst keiner<br />

auf die Idee kommt, diese zu bezweifeln, wird gegenüber der spezifischen Absicherungsform<br />

der Frauen, möglichst unauffällig bzw. unausgeprägt zu bleiben<br />

<strong>und</strong> sich dem Überlegenheits anspruch der Männer von vornherein zu beugen,<br />

als Weg individueller Entwicklung propagiert.<br />

Das heißt: Die typische - männliche - Verarbeitungs form des innerhalb<br />

kapitalistischer Verhältnisse allgemein gesetzten Bewährungszwangs, nämlich<br />

sich zu perfektionieren <strong>und</strong> damit unangreifbar zu machen - ein Ziel, das erst<br />

voll erreicht ist, wenn es einem gelingt, sich selbst zum Maßstab der Entwicklung<br />

überhaupt zu erheben, an dem sich alle anderen messen müssen - wird<br />

von F. H. nicht auf ihre realen Ursachen <strong>und</strong> Konsequenzen hin analysiert,<br />

sondern, wie mir scheint, in ihren theoretischen Ausführungen blind reproduziert.<br />

Damit übernimmt sie den Anspruch, Maß der Entwicklung zu sein, offensichtlich<br />

auch <strong>für</strong> die eigene Gruppe: so etwa in dem Bild von den Fackelträgern,<br />

die Licht in die Finsternis der Zurückgebliebenen bringen (1980b,<br />

151). Dieser Anspruch zeigt sich auch in den genauen Vorstellungen, die die<br />

Autorinnen der »Frauenformen« etwa darüber haben, wie sich eine r<strong>und</strong>liche<br />

kleine Mittsechzigerin zu kleiden hat, wie Schwule, Ehe- <strong>und</strong> Liebespaare miteinander<br />

zu sprechen, umzugehen haben etc.<br />

Die These, daß F. H. sich nicht bewußt zu dem Bewährungszwang verhält,<br />

der innerhalb der kapitalistischen Verhältnisse allgemein gesetzt ist, sondern<br />

diesem aufsitzt, läßt sich m.E. auch an ihrem Artikel zum Verhältnis von Arbeiter-<br />

<strong>und</strong> Frauenbewegung verdeutlichen. Hier zeigt sich, daß das frühere<br />

politische Engagement im Sozialistischen Frauenb<strong>und</strong> (SFB) offensichtlich<br />

nicht primär aus der subjektiven Betroffenheit, der Erkenntnis der eigenen<br />

Entwicklungsbehinderung durch die konkreten Verhältnisse, sondern in Erfüllung<br />

irgendwelcher abstrakter Normen geschah, denen man zu genügen bestrebt<br />

war. So stellte man sich die Frage, ob etwas sozialistisch sei oder nicht,<br />

empfand die Nicht-Existenz von Proletarierinnen in den eigenen Reihen als<br />

Mangel, litt, wenn man auf Maidemonstrationen nicht die genügende Beachtung<br />

fand etc. etc. Besonders auffallend ist diese Tendenz bei der Erörterung<br />

des §218; dieser wurde nicht in seiner ganzen Fragwürdigkeit <strong>und</strong> Widersprüchlichkeit<br />

<strong>für</strong> die Frauen, sondern wesentlich unter der Fragestellung diskutiert,<br />

auf welche Weise man die größere Anerkennung finden bzw. wie man<br />

sich - bei natürlich gewollter Massenwirksamkeit - »den Vorwurf kleinbürgerlichen<br />

Reformismus« ersparen könne (1981b, 654).<br />

F. H. übt zwar an dieser Art von Politik Selbstkritik, doch scheint mir diese<br />

an den wesentlichen Punkten vorbeizugehen, da sie wiederum nur an dem äußeren<br />

Erfolg orientiert ist, der der eigenen Organisation versagt blieb, den autonomen<br />

Frauengruppen hingegen spontan zuflog. Den Erfolg der autonomen<br />

Gruppen führt F. H. darauf zurück, daß diese von vornherein das Persönliche

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