Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Unterdrückung oder Selbstunterwerfung ? 833<br />
bestätigt, sondern zugleich die Unterdrückung an die jeweils Schwächeren weitergibt.<br />
Diese Form der Täterschaft bleibt bei F. H. völlig unberücksichtigt.<br />
Die Gr<strong>und</strong>situation, daß man unter Bedingungen der Fremdbestimmtheit<br />
<strong>und</strong> prinzipiellen Ungesichertheit der Existenz in dem spontanen Bemühen um<br />
Absicherung <strong>und</strong> Anerkennung der eigenen Person immer zugleich die Mitmenschen<br />
instrumentalisiert, an ihnen das gleiche Verhalten praktiziert, unter<br />
dem man selbst leidet, betrifft alle unter kapitalistischen Verhältnissen lebenden<br />
Menschen, ob Mann oder Frau, auch wenn je nach den gesellschaftlichen<br />
Anforderungen die Unterdrückung <strong>und</strong> damit die Bewältigungsformen der<br />
Unterdrückung spezifische sein werden. Die relative Bedeutungslosigkeit der<br />
Frauen innerhalb der kapitalistischen Produktion beinhaltet im allgemeinen eine<br />
unmittelbarere Abhängigkeit von anderen Menschen, speziell den Männern,<br />
<strong>und</strong> damit eine größere Angst vor Liebesverlust, die um so stärker sein<br />
wird, je mehr der Verlust der Liebe den Verlust der bis dahin gegebenen Lebensmöglichkeiten<br />
einschließt. Zugleich bedeutet die geringere gesellschaftliche<br />
Stellung der Frau aber auch eine gewisse Narrenfreiheit. Frauen werden in<br />
der Regel weniger auf den unmittelbaren Existenzkampf dressiert, weniger<br />
brutal zur Verleugnung ihrer Gefühle gezwungen etc.<br />
Die unmittelbarere Abhängigkeit der Frauen <strong>und</strong> die dadurch gesetzte Notwendigkeit,<br />
sich allseitig gefügig zu erweisen <strong>und</strong> entsprechend geschmeidig zu<br />
halten, was durch ein gewisses Maß an Dummheit bzw. Entwicklungslosigkeit,<br />
d.h. durch das Fehlen eines eigenen Standpunktes, durchaus erleichtert wird,<br />
bedeutet zwar einerseits größere Unsicherheit <strong>und</strong> Verunsicherung, zugleich<br />
aber auch eine gewisse Offenheit gegenüber Neuem bzw. der Unzulänglichkeit<br />
der bestehenden Lebensverhältnisse. Diese Offenheit bleibt jedoch - losgelöst<br />
von den Handlungsmöglichkeiten - im allgemeinen unfruchtbar bzw. kann<br />
sich u. U. gerade dadurch nur entwickeln <strong>und</strong> halten, daß die Frauen von der<br />
Notwendigkeit, ihre Träume <strong>und</strong> Kritik in die Tat umzusetzen, relativ entlastet<br />
sind bzw. diese Umsetzung den Männern aufzubürden versuchen, womit sie<br />
diese wiederum zusätzlich auf Erfolg trimmen.<br />
Die Männer stehen dagegen entsprechend ihrer höheren Bedeutung <strong>für</strong> die<br />
gesellschaftliche Produktion in viel stärkerem Maße unter dem Druck, ihre<br />
Brauchbarkeit zu beweisen, perfekt zu sein, eigene Schwächen oder gar Angst,<br />
die als größte Schwäche des Mannes gilt, zu verbergen. So werden viele von ihnen<br />
zu den »Kulturträgern« im Sinne Freuds, die die Fremdbestimmtheit in<br />
Selbstbestimmung uminterpretieren <strong>und</strong> den Zwang, unter dem sie stehen, verdrängen<br />
bzw. nachträglich durch den Erfolg rechtfertigen, der darin besteht,<br />
daß man im Dienste der Mächtigen in gewissen Grenzen immer auch an deren<br />
Lebensmöglichkeiten partizipieren, sich anderen gegenüber überlegen <strong>und</strong> damit<br />
relativ sicher fühlen kann.<br />
Wenn F. H. von der Möglichkeit der Entwicklung der Frauen auch unter<br />
fremdbestimmten Bedingungen spricht, dann scheint sie mir genau diese<br />
Selbst vervollkommnung im Auge zu haben, die <strong>für</strong> die männliche Entwicklung<br />
unter kapitalistischen Verhältnissen typisch ist: die möglichst umfangreiche<br />
Ansammlung von Fähigkeiten <strong>und</strong> Kenntnissen, um alle Widersacher <strong>und</strong><br />
Konkurrenten mit ihnen erschlagen zu können <strong>und</strong> als der Größte dazustehen.<br />
DAS ARGUMENT 136/1982