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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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902 Besprechungen<br />

schaft erst ihren Forschungsgegenstand vorgibt. Inwieweit solche Vorstellungen an realen<br />

Herrschaftsverhältnissen scheitern können - dies mitzureflektieren müßte ebenfalls<br />

in der ökologischen <strong>Theorie</strong> Gegenstand sein. Dies meint allerdings mehr als die Berücksichtigung<br />

der Machtdimension als individueller Einflußchance (Mittelschichteltern haben<br />

etwa mehr Einfluß auf schulische Entscheidungen [240]).<br />

Bronfenbrenner bestimmt die Aufgabe seiner <strong>Theorie</strong> so: »Die Ökologie der menschlichen<br />

Entwicklung befaßt sich mit der fortschreitenden gegenseitigen Anpassung zwischen<br />

dem aktiven, sich entwickelnden Menschen <strong>und</strong> den wechselnden Eigenschaften<br />

seiner unmittelbaren Lebensbereiche. Dieser Prozeß wird fortlaufend von den Beziehungen<br />

dieser Lebensbereiche untereinander <strong>und</strong> von den größeren Kontexten beeinflußt, in<br />

die sie eingebettet sind« (37). Die unmittelbar erlebten Lebensbereiche, ihre erlebten Muster<br />

von Tätigkeiten, Rollen <strong>und</strong> zwischenmenschlichen Beziehungen, heißen »Mikrosysteme«.<br />

Sie haben mehrfache Funktionen: als »Primär-Lebensbereiche« legen sie »Entwicklungsbahnen«<br />

fest, dauernde Motivations- <strong>und</strong> Tätigkeitsmuster (261). Im Mikrosystem<br />

werden »molare Tätigkeiten« eingeübt, d.h. die Fähigkeit zu komplexen, längere<br />

Zeit in Anspruch nehmenden Handlungen/Handlungsketten. Je mehr solcher Tätigkeiten<br />

ein Kind sich aneignen kann <strong>und</strong> je größer die Tendenz ist, daß sich das Kräfteverhältnis<br />

im Mikrosystem zu seinen Gunsten verschiebt, desto besser sind seine Entwicklungschancen.<br />

Ein weiterer Faktor, der hier von Bedeutung ist, besteht in der Vereinbarkeit verschiedener<br />

Mikrosysteme (Familie, Schule, peer group): wenn im Mesosystem (d.i. die Wechselwirkung<br />

der erlebten Lebensbereiche) übereinstimmende Zielsetzungen, kompatible<br />

Rollenerwartungen <strong>und</strong> Beziehungsmuster vorhanden sind, erhöhen sich die Entwicklungschancen.<br />

Einen vermittelten Einfluß ninunt Bronfenbrenner im Exosystem an, jenen<br />

Lebensbereichen, an denen der sich entwickelnde Mensch nicht teilnimmt, die aber<br />

dennoch seine Entwicklungschancen beeinflussen (z.B. der Arbeitsplatz des Vaters). Um<br />

diesen Einfluß festzustellen, bedarf es zweier kausaler Folgen: der externe Bereich (z.B.<br />

Fernsehen) muß Prozesse im Mikrobereich auslösen (eine bestimmte Atmosphäre), die<br />

dann auf die Entwickung der Person wirken (225ff.).<br />

Nach diesen Unterscheidungen, deren Kriterium der Grad der Unmittelbarkeit des Erlebens<br />

ist, führt Bronfenbrenner die Kategorie des »Makrosystems« ein: als »objektiven«<br />

Integrationspunkt der unterschiedlichsten Lebensbereiche. Gemeint ist damit »die<br />

gr<strong>und</strong>sätzliche formale <strong>und</strong> inhaltliche Ähnlichkeit der Systeme niedrigerer Ordnung<br />

(Mikro, Meso <strong>und</strong> Exo), die in der Subkultur oder der ganzen Kultur bestehen oder bestehen<br />

könnten, einschließlich der ihnen zugr<strong>und</strong>e liegenden Weltanschauungen <strong>und</strong><br />

<strong>Ideologie</strong>n« (42). Eine solche Bestimmung setzt eine Gesellschaftstheorie voraus, die<br />

strukturelle Vergleiche auf der Ebene der »Subsysteme« erlaubt. Dazu bedarf es allerdings<br />

eines Kriteriums der Identifikation solcher Strukturen, das gerade von der Systemtheorie<br />

bisher nicht erbracht wurde.<br />

Ein weiterer Einwand betrifft den Stellenwert des Vermittlungsbegriffs, der <strong>für</strong> die<br />

differenzierte Eint1ußtheorie wichtig ist. Es ist gerade vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Bestimmung<br />

der strukturellen <strong>und</strong> ideologischen Ähnlichkeit gesellschaftlicher Lebensbereiche<br />

frag\Vürdig, die Einflüsse des »Exosystems« über eine doppelte Kausalkonstruktion erfassen<br />

zu wollen - <strong>und</strong> nicht, wie es die Kategorie des »Makrosystems« suggeriert, als<br />

Rekonstruktion dialektischer Vermittlungsprozesse.<br />

Alfred Schäfer (Köln)<br />

Börsch, Susanne, <strong>und</strong> Michael Bauer: Kinderkram. Spiele ohne Anweisung. Transit<br />

Verlag, Berlin/West 1981 (147 S., br., 19,80 DM)<br />

Ein antipädagogisches Buch, wie der Untertitel signalisiert. »Unser Buch über Spielzeug<br />

<strong>und</strong> Spiel müßte ein Buch von Kindern sein. Wir sind keine Kinder mehr, haben aber<br />

versucht, uns auf ihre Seite zu schlagen. Dabei halfen uns Schriftsteller mit kürzeren <strong>und</strong>

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