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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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844 Brita Rang/Christine Thomas<br />

signation, das Sich-Anpassen, bis die Verhältnisse verändert sind - <strong>und</strong> wir<br />

wissen immer noch nicht, wer sie unter solchen Umständen verändern soll.<br />

Aber mein Beispiel kann sich mit den obigen Erklärungen nicht zufriedengeben.<br />

Es lenkt den Blick vielmehr auf die genauere Untersuchung der »Verhinderung«<br />

von Handlungen. In welchen weitaus vielfältigeren Formen als Opportunismus<br />

(Resignation) werden denn die »Verhinderungen« gelebt? Was<br />

tun die Mädchen anstelle des Lernens im Unterricht - was tun sie anstelle des<br />

Veränderns der objektiven Bedingungen? Wir sahen, eine Form des Widerstands<br />

ist das Entwickeln anderer Praxen. Sie schminken sich, konzentrieren<br />

sich auf ihr Äußeres, wollen auch die Aufmerksamkeit anderer darauf lenken.<br />

Warum wählen sie gerade diese Praxis? Mit welchen anderen Praxen ist sie<br />

verknüpft? Wie mit den gesellschaftlichen Vorstellungen über Frau-Sein? In<br />

welche anderen Unterwerfungsstrukturen begeben sie sich, welche neuen Be<strong>und</strong><br />

Verhinderungen schaffen sie sich durch das Ergreifen dieser »typisch<br />

weiblichen« (Widerstands)Praxis? Welche Hoffnungen, Wünsche, Bedürfnisse<br />

sind daran geknüpft? Welche Rolle spielen die gemachten Erfahrungen<br />

in/mit dieser Praxis? Welche die ideologischen Instanzen, welche die Warenästhetik?<br />

Ist die »Flucht« in andere Praxen nicht gleichzeitig eine Umwertung/Umformung<br />

der »negativen« Emotionen? Bedeutet dies nicht, daß sie weit mehr<br />

sind als »eine Instanz zur Verhinderung« von Handeln: so etwas wie eine<br />

»Kitt-Instanz« in dem Sinne, daß die Entwicklungsbehinderungen durch Sinngebung,<br />

die geknüpft ist an gesellschaftliche Normen <strong>und</strong> Werte, als Nicht­<br />

Behinderungen, ja sogar als Glück gelebt werden können <strong>und</strong> so auch zu weiteren<br />

Behinderungen/Unterwerfungen führt. Bei den Mädchen ist die »Kitt­<br />

Instanz« in mehrfacher Weise funktional <strong>für</strong> die Stabilisierung der Verhältnisse:<br />

sie macht den Verzicht auf Wissensaneignung möglich, damit Verzicht auf<br />

möglichst umfassende gesellschaftliche Teilhabe <strong>und</strong> sie stabilisiert den Geschlechtergegensatz,<br />

in dem die Mädchen in die untergeordnete Position sich<br />

hineinentwickeln. Folgt daraus nicht, daß <strong>für</strong> die Veränderung der Verhältnisse<br />

die Veränderung der Haltungen <strong>und</strong> Gefühle, die diese weitgehend stabilisieren,<br />

unumgänglich ist?<br />

Die in der gebotenen Kürze angerissenen Fragen berühren auch die Frage<br />

der SubjektkollStitution - sie ist ein Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt in unserer Kontroverse<br />

(vgl. dazu auch die Auseinandersetzung mit dem Projekt <strong>Ideologie</strong>­<br />

<strong>Theorie</strong> im Forum Kritische Psychologie 11, Argument -Sonderband 93, 1982).<br />

Der Vorwurf gegen uns lautet: »Die objektiven Entwicklungsbeschränkungen<br />

werden in subjektive Entwicklungsbeschränktheiten uminterpretiert.« (828) Es<br />

geht allerdings nicht um eine »Uminterpretation«, sondern - darauf wiesen<br />

wir schon hin - um das Begreifen des Verhältnisses von objektiver Bestimmtheit<br />

<strong>und</strong> subjektiver Bestimmung, nicht um die Reduktion auf eines von beiden.<br />

Ute Osterkamps beharrliche Ablehnung unserer Annahme, daß es veränderte<br />

Menschen braucht, um die Verhältnisse zu verändern, Menschen, die die<br />

Verhältnisse überhaupt ändern wollen <strong>und</strong> können, läßt Vermutungen darüber<br />

anstellen, wie sie die Konzeption des Individuums sich denkt: Die einschränkenden<br />

Verhältnisse beschränken zwar das Individuum, »schnüren« es ein -<br />

f'lA, ARr.1JMFNT 136/1982

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