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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Soziale Bewegungen <strong>und</strong> Politik 915<br />

standes abzielten, durchbrochen werden <strong>und</strong> einer Reihe folgenreicher Innovationen im<br />

politischen Denken Platz machen. In bei den Aufstandsbewegungen führt die anfanglich<br />

zentrale Frage, was legitimer Widerstand im Unterschied zur Rebellion sei, rasch zur<br />

Frage, worin die Legitimität politischer Herrschaft überhaupt gründen könne <strong>und</strong> wo<br />

die Grenzen der Ausübung legitimer Staatsgewalt zu ziehen seien. Beide Aufstandsbewegungen<br />

scheidet, wie Saage zeigt, ein ganzer Säkularisierungsschritt. Erst in der englischen<br />

Revolution wird das legitime Widerstandsrecht nicht nur dem »christlichen Magistrat«,<br />

sondern allen guten Bürgern zuerkannt, erst hier wird der Gr<strong>und</strong> der Legitimation<br />

staatlicher Herrschaft in das »souveräne« Volk verlagert, das den persönlichen<br />

»Souverän« ablöst; hier gewinnt infolge des Einbruchs des Vertragsdenkens in die politische<br />

<strong>Theorie</strong> der Gedanke des säkularen Staates, der nicht von Gott kommt, sondern ein<br />

rationales Kunstprodukt verständiger Egoisten darstellt, Eingang in die diskutierende<br />

politische Öffentlichkeit der Aufstandsbewegung <strong>und</strong> vor allem ihrer Bürgerkriegsarmee;<br />

hier kann dann auch zum erstenmal die Idee der absoluten religiösen Toleranz,<br />

d.h. des vom agnostischen Staat erzwungenen Religionsfriedens, die Urform aller Pluralismus-Konzeptionen,<br />

Verbreitung finden. Die Säkularisierung des politischen Diskurses<br />

führt zunächst in die naturrechtliche Denk- <strong>und</strong> Argumentationsweise; aber schon in<br />

den in der englischen Revolutionsarmee geführten Wahlrechtsdebatten kündigt sich der<br />

Rechtspositivismus an, wo die »eingeborenen Menschenrechte« der Freien mit den<br />

Rechten der Privateigentümer <strong>und</strong> der Unfreiheit der Nicht-Eigentümer unter den Privatleuten<br />

zusammenstoßen.<br />

Saages Absicht ist es, in den Auseinandersetzungen zwischen den Protagonisten der<br />

englischen <strong>und</strong> niederländischen Revolution <strong>und</strong> der sie begleitenden Pamphletistik jene<br />

normativen Ideen von politischer Freiheit <strong>und</strong> Gleichheit herauszuarbeiten, die <strong>für</strong> die<br />

Legitimation politischer Herrschaft im bürgerlichen Staat konstitutiv geworden sind.<br />

Diese Legitimationsmuster , die Begründung subjektiver öffentlicher Rechte im Kontext<br />

des bürgerlichen Rechtsstaats in ihrer Entstehungsphase kennen zu lernen, scheint mir<br />

auch <strong>für</strong> Sozialisten 'Nichtig, weil gerade daran die Kritikmuster der radikaldemokratischen<br />

<strong>und</strong> sozialistischen Oppositionsbewegungen der subalternen Klassen der bürgerlichen<br />

Gesellschaft anknüpfen <strong>und</strong> weil ihr bislang bedeutendster Erfolg in der historischen<br />

Transformation des liberal-kapitalistischen Rechtsstaats in parlamentarische Massendemokratien<br />

<strong>und</strong> soziale Rechtsstaaten besteht. Die Denkfiguren der »Gleichberechtigung«<br />

ebenso wie des (subjektiven öffentlichen) »Rechts auf Arbeit« (<strong>und</strong> auf Wohnung,<br />

Ges<strong>und</strong>heit, Erziehung, soziale Sicherheit usw.) sind bis heute bestimmende Ar·<br />

gumentationsmuster <strong>für</strong> diese sozialen Oppositions- <strong>und</strong> Emanzipationsbewegungen geblieben.<br />

Die Arbeit ist klar gegliedert, in einem lesbaren, vom heutzutage üblichen sozialwissenschaftlichen<br />

Jargon ebenso wie von den gewollten Stilblüten der »neuen Schnoddrigkeit«<br />

freien Deutsch geschrieben, die wichtigsten Debatten werden treffend dokumentiert.<br />

Der Autor hat dem Band neben einem sehr ausführlichen Literaturverzeichnis einige<br />

»Biographische Anmerkungen« über die wichtigsten der in seiner Darstellung vorgeführten<br />

Protagonisten beigefügt. Dank Personen- <strong>und</strong> Sachregister ist es ein Buch, mit<br />

dem auch eilige Menschen arbeiten können. Einziger Schönheitsfehler in meinen Augen:<br />

der stolze Preis.<br />

Michael Krätke (Amsterdam)<br />

~Eckert, Rainer: Die Krise der SPD. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/M. 1982<br />

(168 S., br., 9,80 DM)<br />

Butterwegge, Christoph: Marxismus, SPD, Staat. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/Mo<br />

1981 (139 S., br., 10,50 DM)<br />

Ziel des populärwissenschaftlich geschriebenen Buchs von Eckert ist die Aktualisierung<br />

des Analyseansatzes der zwei Klassenlinien in den sozialdemokratischen Parteien. In der<br />

DAS ARGUMENT 136/ 1982 ,~

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