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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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908 Besprechungen<br />

§218, Frauenges<strong>und</strong>heit muß also als Auslöser betrachtet werden. Welche Entwicklung diese Bewegung<br />

seitdem genommen hat, darüber gibt die besprochene Literatur einen Überblick. Obwohl<br />

alle Themen ges<strong>und</strong>heitsbezogen sind, ist es symptomatisch, daß auch in den Sammelbänden<br />

- ebenso wie auf dem Salzburger Kongreß (vgl. Kongreßbericht) - Ärztelinnen als Autoren/innen<br />

kaum <strong>und</strong> als Objekt nur am Rande vorkommen. Anders sieht es mit dem Beruf der<br />

Krankenpflege aus. Über diesen typischen Frauenberuf wird eine erste umfangreichere Untersuchung<br />

aus Frauensicht vorgestellt.<br />

Schneider, Ulrike (Hrsg.): Was macht Frauen krank? Ansätze zu einer frauenspezifisehen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsforschung. Campus Verlag, Frankfurt/New York<br />

(235 S., br., 28,-DM)<br />

Das Buch dokumentiert eine Tagung, die im März 1980 im Auftrag des B<strong>und</strong>esministers<br />

<strong>für</strong> Forschung <strong>und</strong> Technologie von der Planungsgruppe Ges<strong>und</strong>heit organisiert wurde.<br />

Die vorgetragenen Perspektiven, Konzepte <strong>und</strong> Fragestellungen stellten Vorschläge zur<br />

Nutzung eines Teils des B<strong>und</strong>esprogramms »Forschung <strong>und</strong> Entwicklung im Dienste der<br />

Ges<strong>und</strong>heit«, einem Ende der 70er Jahre gestarteten Millionenprojekt dar. Die Vorschläge<br />

wanderten in die Schubladen der Forschungsförderer ... Dies ist sicherlich auch<br />

dem mangelnden Interesse von Seiten der Medizin geschuldet. Schon die Beteiligung an<br />

dieser Tagung dokumentiert das Defizit: Mit Ausnahme einer Professorin <strong>für</strong> Altenheilk<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> eines Hochschullehrers <strong>für</strong> Arbeitsmedizin sind alle Referentinnen Sozialwissenschaftlerinnen<br />

<strong>und</strong> Sozialarbeiterinnen im weitesten Sinne.<br />

Das Buch behandelt fünf verschiedene Aspekte: Verhinderung von Krankheit oder<br />

Wahrung der Ges<strong>und</strong>heit? - Die ges<strong>und</strong>heitliche Lage der Frau - Zur Ätiologie weiblichen<br />

Krankheitsgeschehens - Belastungen von Frauen in der Wechselwirkung von Erwerbsarbeit<br />

<strong>und</strong> reproduktiver Arbeit - Prävention <strong>und</strong> Frauenges<strong>und</strong>heitspolitik. Es<br />

schließt mit einer Forschungsprogrammatik <strong>und</strong> einem ausführlichen Literaturverzeichnis.<br />

Ich möchte mich hier darauf beschränken, exemplarisch den neuen Blick auf die<br />

Frauenges<strong>und</strong>heit vorzuführen, der jeweils zugleich F<strong>und</strong>amente medizinischen Denkens<br />

<strong>und</strong> Handeins infrage stellt. Anknüpfend an alternativrnedizinische Positionen formuliert<br />

Marianne Rodenstein Ges<strong>und</strong>heit als einen Akt der Selbstbestimmung. Anders<br />

als die Medizin wollen Alternativrnedizin <strong>und</strong> Frauenges<strong>und</strong>heitsbewegung krankheitsunspezij/Sch<br />

vorgehen: Es sollen nicht die Bedingungen <strong>für</strong> die Entstehung bestimmter<br />

Krankheiten, sondern die Bedingungen <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit untersucht <strong>und</strong> zugleich geschaffen<br />

werden. Auf diese Weise sind Fragen der Frauenges<strong>und</strong>heit immer auch mit Fragen<br />

der Frauenbefreiung verknüpft, <strong>und</strong> die Forschungstätigkeiten leisten einen Beitrag zur<br />

Veränderung.<br />

Der geschlechtsspezifIsche Blick macht darüber hinaus auch auf Mängel aufmerksam,<br />

welche die Alternativmedizin mit der traditionellen Medizin gemeinsam hat: kritisiert<br />

wird die angebliche Vergleichbarkeit von Männer- <strong>und</strong> Frauenges<strong>und</strong>heit. Regina Bekker-Schmidt<br />

macht dies am Punkt der geschlechtsspezifischen <strong>Arbeitsteilung</strong> deutlich:<br />

»Weil beide Bereiche partikular, bestimmte Aspekte des Selbstbezugs, der Möglichkeit<br />

der Selbstentfaltung ausschließend sind, stehen sie zwar in einem Verhältnis wechselseitiger<br />

Unzumutbarkeiten, aber auch in einem Verhältnis der Konkurrenz <strong>und</strong> Ergänzung.«<br />

(39) Vielleicht bedingt letzteres auch die Stabilität dieser Unterdrückungsstruktur, läßt<br />

die Familie trotz ihrer Fesseln immer noch erträglich erscheinen, die untergeordnete Arbeit<br />

im Erwerbsbereich wiederum immer noch besser als das bloße Hausfrauendasein?<br />

Jene Überlegungen räumen mit den einfachen quantitativen Vorstellungen von der Doppel-(Drei-<br />

oder Vierfach-)belastung der Frau auf <strong>und</strong> richten da<strong>für</strong> das Augenmerk auf<br />

die falsche geschlechtliche <strong>Arbeitsteilung</strong>, deren krankmachende Struktur also auch<br />

nicht durch eine »bloße Entlastung« in beiden Bereichen zu beheben ist. Diese Kritik der<br />

Doppelbelastung bricht auch mit Forschungshaltungen, welche die Frauen nur als Opfer<br />

krankmachender Strukturen sehen, <strong>und</strong> interessiert sich stattdessen <strong>für</strong> die Lebensweise<br />

DAS ARGUMENT 136/1982 @

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