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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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824 Micheie Rarrett<br />

ser Einrichtung lebt. Es gibt ideologische Stereotype der Familie, wenn man<br />

sich Z.B. die Werbung im Fernsehen ansieht. Sie wendet sich immer an die stereotype<br />

Kleinfamilie, ruft Mutti, Vati <strong>und</strong> zwei (manchmal drei, aber gewöhnlich<br />

zwei) Kinder an. Das ist das Bild der Familie, <strong>und</strong> es ist vorherrschend. Ich<br />

halte es <strong>für</strong> wichtig, bei allen Überlegungen der Frage nachzugehen, welche<br />

Relevanz dieses Bild <strong>für</strong> die Art <strong>und</strong> Weise hat, wie die Menschen ihr Leben<br />

tatsächlich leben. Ein Aspekt ist, empirisch vorzugehen <strong>und</strong> sich die Statistik<br />

der Haushaltsorganisation anzusehen. Tatsache ist, daß in Großbritannien zur<br />

Zeit weniger als ein Drittel der Haushalte auf der Basis dieser Kleinfamilie organisiert<br />

sind. D.h. 70OJo der Haushalte beruhen nicht auf der Kleinfamilie.<br />

Wie kommt es, daß die Vorstellung der Familie so hegemonial ist? Um das<br />

herauszufinden, müssen wir die Bedeutung der familialen <strong>Ideologie</strong> untersuchen.<br />

Woran denken die Menschen, wenn sie von der Familie sprechen? Dabei<br />

können sie über Verschiedenes reden, z.B. über eine biologische Einheit, darauf<br />

möchte ich aber im Moment nicht eingehen, ich halte das <strong>für</strong> keine haltbare<br />

Position. Ein anderes, wichtigeres Moment, an das die Menschen im Zusammenhang<br />

mit Familie denken, ist die organisatorische Basis von Haushalten,<br />

wie die Menschen leben <strong>und</strong> ihre tägliche Reproduktion, ihr Essen usw.<br />

organisieren. Empirisch ist es jedoch sehr schwierig, eine sehr enge Beziehung<br />

zwischen der Organisation von Haushalten <strong>und</strong> der Kleinfamilie nachzuweisen.<br />

Eine andere übliche Vorstellung, die wohl mit der biologischen zusammenhängt,<br />

ist, daß die Familie die offensichtlichste <strong>und</strong> natürlichste Form der<br />

Verwandtschaftsorganisation darstellt. Es ist klar: sie ist Deine Familie, es sind<br />

Deine Blutsverwandten, sie hat mit Verwandtschaft zu tun. Ich will an einem<br />

Beispiel zeigen, daß wir diese Vorstellung ablehnen oder zumindest sehr kritisch<br />

überdenken müssen. In der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts war es in Großbritannien<br />

ganz üblich, daß Waisenkinder von ihren Verwandten großgezogen<br />

wurden, von Mitgliedern des Verwandtschaftsnetzes. Es gibt viele Belege in literatur<br />

<strong>und</strong> Quellen, daß das Kind von Onkeln, Tanten oder den Großeltern<br />

aufgezogen wurde. So war es gesellschaftlich übliche Praxis. Oft wurden die<br />

Kinder von alleinstehenden Onkeln oder Tanten z.B. adoptiert. Heute ist die<br />

Situation, wenn ein Kind seine Eltern verliert, wesentlich anders. Großeltern<br />

würden als völlig ungeeignet überhaupt nicht in Betracht kommen. Sie werden<br />

als viel zu alt angesehen. Und wie könnte ein alleinstehender Onkel oder eine<br />

ledige Tante dem Kind die richtige Familienumgebung zum Aufwachsen geben?<br />

Heute ist es so, daß Adoptionsorganisationen da<strong>für</strong> zuständig sind, kleinen<br />

Kindern <strong>und</strong> Säuglingen neue Eltern zu geben. Und die suchen sich immer<br />

eine Musterfamilie aus. Es ist ihnen sehr wichtig, ein nettes junges Ehepaar<br />

auszuwählen mit einem schönen Haus <strong>und</strong> einer guten Stelle. Das also sind die<br />

Leute, denen die Kinder normalerweise gegeben werden, sie werden nicht ihrer<br />

Verwandtschaft anvertraut, damit die <strong>für</strong> sie sorgt. Diese Norm ist auch bei<br />

vielen Sorgerechtsfällen abzulesen. Oft geht man davon aus, daß das natürliche<br />

Sorgerecht der Mutter zusteht. Es gibt aber Fälle, wo der Vater des Kindes<br />

sich wiederverheiratet <strong>und</strong> damit argumentieren kann, daß er dem Kind eine<br />

normale Familienumgebung <strong>für</strong> die Erziehung bereitstellt. Dann bekommt der<br />

Vater das Sorgerecht, denn die <strong>Ideologie</strong> der normalen oder 'richtigen' FaminA,<br />

ARGllMENT 136/1982

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