Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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826 Micheie Barrett<br />
Pf<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Rüstung ausgegeben.« Und die durchschnittliche britische Familie<br />
ist auf dem Plakat auch abgebildet: Mutti, Vati <strong>und</strong> zwei Kinder, die ihren<br />
Karren mit Lebensmitteln <strong>und</strong> dem Bild einer Cruise Missile mittendrin durch<br />
den Supermarkt schieben. Was das Plakat erreichen will, drückt sich in anderen<br />
Kampagnen der Bewegung deutlicher aus, da gibt es Gruppen, die sich<br />
'Familien gegen die Bombe' nennen. Sie versuchen, eine Verbindung von Familialismus<br />
<strong>und</strong> Pazifismus herzustellen. Das ist ein ziemlich künstliches Manöver,<br />
es spielt auf die <strong>Ideologie</strong> an, daß »das Zuhause ein sicherer Hafen« sei,<br />
ein nicht-militaristischer, liebevoller Ort usw. Darüber hinaus ist es ein gefährlicher<br />
politischer Versuch, weil so viele ideologische Konnotationen der Familie<br />
tatsächlich militaristisch sind. Wie Ihr wißt, betätigt sich Großbritannien zur<br />
Zeit militärisch auf den Falklandinseln, <strong>und</strong> die Rolle der Familienideologie<br />
wird intensiv genutzt, indem die Medien viel über die Familien der Soldaten<br />
berichten, über die Ehefrauen, die zuhause warten, über ihre Loyalität <strong>und</strong> die<br />
ihrer Familien. Die Friedensbewegung hat also in vieler Hinsicht einen harten<br />
Kampf zu führen. Auch wenn es erstrebenswert wäre, sich solch eine reaktionäre<br />
<strong>Ideologie</strong> zunutze zu machen, ist es doch ungeheuer schwierig, die Konnotationen<br />
von Familie in fortschrittliche Bedeutungen umzuwandeln, denn<br />
im großen <strong>und</strong> ganzen sind die Konnotationen militaristisch. Das Beispiel aus<br />
der Friedensbewegung ist keine Ausnahme, es ist typisch auch <strong>für</strong> andere Bewegungen,<br />
<strong>für</strong> diese un<strong>kritische</strong> Anrufung des Familialismus <strong>und</strong> der Familienideologie<br />
als Motivation oder als Bild <strong>für</strong> den sozialistischen Kampf.<br />
Ein eher akademischer Aspekt der mangelnden Kritik an der Familienideologie<br />
ist, daß wir uns als Sozialist(inn)en <strong>und</strong> Feministinnen nicht hinreichend<br />
mit der moralischen Panik wegen des sogenannten Niedergangs der Familie<br />
auseinandergesetzt haben. Besonders die Sozialwissenschaftler , die Historiker<br />
<strong>und</strong> die Medien beschäftigen sich gerne mit dem Verfall der Familie, der Krise,<br />
dem Zusammenbruch <strong>und</strong> gesellschaftlichen Untergang als deren Folge. Meine<br />
These ist, die Familie im Gegenteil als eine der mächtigsten <strong>Institut</strong>ionen in<br />
der gegenwärtigen Gesellschaft, auf jeden Fall eine der gewaltigsten ideologischen<br />
Bündelungen anzusehen. Es wäre ein ungeheurer analytischer <strong>und</strong> politischer<br />
Fehler, wollten wir dem Wehgeschrei, die Familie befände sich im Untergang,<br />
Glauben schenken. In soziologischen <strong>und</strong> historischen Arbeiten zur Familie<br />
übernehmen viele Autoren - linke <strong>und</strong> radikalsozialistisch zu nennende<br />
- explizit die These vom Verfall der Familie. Da gibt es z.B. die Bücher von<br />
Christopher Laseh, dem amerikanischen Kulturkritiker , der ein extrem schamloses<br />
<strong>und</strong> lautes Klagelied auf das Verschwinden der patriarchalischen Familie<br />
singt; <strong>und</strong> das wird noch als sozialistische Position angeboten. Noch überraschender<br />
ist wohl die Arbeit des französischen Historikers Jacques Donzelot,<br />
dessen Buch »Die Ordnung der Familie« eine ausführliche Erörterung dessen<br />
ist, wie die Macht der Familie zusammenbricht <strong>und</strong> vom Staat übernommen<br />
wird. Ich bin der Ansicht, daß solche Thesen in der Linken sehr gefährlich<br />
sind, denn sie verführen uns zu der Annahme, der Familialismus habe seine<br />
Bedeutung verloren. Ich meine, die Linke muß dringend Argumente entwickeln<br />
<strong>und</strong> eine Position gegen die Sichtweise vom Untergang der Familie beziehen,<br />
weil wir uns sonst in falscher Sicherheit wähnen.<br />
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