Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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DAS ARGUME]';T 13611982<br />
<strong>Arbeitsteilung</strong> <strong>und</strong> <strong>Ideologie</strong> 795<br />
Für derartige Bauwerke ist natürlich die kleine Dorfgemeinschaft nicht geeignet.<br />
Das kann nur ein Verb<strong>und</strong> vieler Dorfgemeinschaften sein, <strong>und</strong> eine der<br />
<strong>Theorie</strong>n ist, daß das Ans-Werk-Setzen, das Zusammensetzen der vielen einzelnen<br />
Elemente durch solche zentralen Priester geschah, daß das einer der Gründe<br />
<strong>für</strong> die Entstehung des Staates ist. Diese Priester mußten etwas anderes können<br />
als bloß Erde tragen oder Steine zerklopfen, sie mußten Zeiten <strong>und</strong> Räume<br />
kontrollieren. Sie waren Spezialisten der Jahreszeiten, wußten, wann es regnet<br />
<strong>und</strong> trocken ist. Das heißt, sie entwickelten den Kalender. Sie entwickelten die<br />
Beobachtung der Gestirne, um den Kalender zu entwickeln, <strong>und</strong> die Mathematik,<br />
um die Gestirne beobachten zu können usw. So daß sogar Völker, von denen<br />
wir denken, sie hätten keine Schrift gehabt, auf jeden Fall eine ziemlich<br />
entwickelte Mathematik hatten. Da gab es also Spezialisten dieser Art.<br />
<strong>Arbeitsteilung</strong> <strong>und</strong> <strong>Ideologie</strong> - bei der Theokratie sind wir wieder fündig<br />
geworden. Wenn Theokratie, also Priesterherrschaft, eine primitive, frühe<br />
Form staatlich oder staatsartig wiederzusammengefaßter Spezialisierung ist,<br />
wenigstens eine Keimform, dann lugt hier die <strong>Ideologie</strong> aus allen Knopflöchern;<br />
denn das sind ja schließlich Priester, <strong>und</strong> man kann sogar so weit gehen<br />
zu sagen, daß ihr Priestertum, ihre Götter, die ganze Art der Religion, dadurch<br />
bedingt sind. Es gibt nicht schon immer diese Priester <strong>und</strong> diese Religion, sondern<br />
die Frage ist, wie kommen unterschiedliche Funktionen <strong>und</strong> Spezialistengruppen<br />
zusammen in diese Form »religiöser Apparat«? Sie werden lebensnotwendig<br />
<strong>für</strong> eine Gesellschaft. Würde die Funktion dieser Priester ausfallen,<br />
bräche das gesellschaftliche Leben zusammen. Diese Funktion bekommt eine<br />
überirdische, übergesellschaftliche Bedeutung. Hier spaltet sich die Gesellschaft.<br />
Es gibt weiterhin die Kleinbauern <strong>und</strong> vielleicht elementare Handwerke,<br />
<strong>und</strong> dann gibt es darüber diese unglaublich entfernten, intellektuell-spezialistisch<br />
in der Entwicklung vorausgepreschten Mathematikspezialisten, die Kalender<br />
aufstellen können, die im voraus eine Mond- oder gar Sonnenfinsternis<br />
berechnen. Sie hängen wie in einem Himmel über der Gesellschaft. Sie sind<br />
durch eine Riesenkluft getrennt von der Gesellschaft. Friedrich Engels hat <strong>für</strong><br />
solche Apparate, <strong>für</strong> solche Einrichtungen den Begriff der ideologischen<br />
Mächte entwickelt, indem er Gedanken aus dem mit Marx zusammen verfaßten<br />
Frühwerk »Deutsche <strong>Ideologie</strong>« spät, nach Marx' Tod, ausgearbeitet hat.<br />
Ideologische Mächte, das sind Mächte der Gesellschaft, aber über der Gesellschaft,<br />
übergeordnete Mächte, von oben nach unten regierend, namens himmlischer<br />
oder abstrakter idealischer Instanzen herunterwirkend in die Gesellschaft.<br />
In diesem Sachverhalt erkennen wir wieder, was das »Lexikon zur Soziologie«<br />
als »<strong>Arbeitsteilung</strong>« beschreibt. Bei Engels sind das Mächte zur Aufrechterhaltung,<br />
Stabilisierung erstens dieser immer mehr sich aufteilenden Gesellschaft,<br />
ihres Zusammenhalts in 'der Auf teilung, <strong>und</strong> zweitens einer neuartigen<br />
Aufspaltung der Gesellschaft, die nämlich Ausbeuter <strong>und</strong> Ausgebeutete<br />
gegeneinander stellt. Die Funktion der ideologischen Mächte im Sinne von Engels<br />
ist es, dieses Doppelsystem aufrechtzuerhalten. Wenn wir Engels' <strong>Theorie</strong><br />
schematisch aufzeichnen, erhalten wir wieder ein Problem kreuz , bloß ist es<br />
jetzt dreidimensional.