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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Unterdrückung oder Selbstunterwerfung ? 829<br />

zung, daß Unterdrückung, die nicht mit äußerem Zwang arbeitet, mit der Zustimmung<br />

der Betroffenen geschieht (1980a, 646). Die gesellschaftlichen Unterdrückungsstrukturen<br />

können nach F. H. 's Meinung nur weiterbestehen,<br />

wenn sie von denen, die in ihnen leben, immer wieder hergestellt werden (ebenda).<br />

Sie geht dabei von der globalen These aus, daß die Menschen ihre Lebensbedingungen<br />

geschaffen haben <strong>und</strong> also auch verändern können. Diese These<br />

ist sicherlich richtig, wenn man sie auf den gesellschaftlich-historischen Gesamtprozeß<br />

bezieht. Sie ist aber über ihren Geltungsbereich ausgeweitet <strong>und</strong><br />

damit falsch, wenn man sie, wie das F. H. tut, umstandslos auf die einzelnen<br />

Menschen überträgt. Das Verhältnis zwischen objektiver Bestimmtheit <strong>und</strong><br />

subjektiver Bestimmung als kollektiver Prozeß wird damit auf die Möglichkeit<br />

subjektiver Bestimmung der einzelnen Individuen über ihre Verhältnisse reduziert;<br />

damit wird die Verantwortung <strong>für</strong> die eigene Entwicklungslosigkeit unabhängig<br />

von den gesellschaftlichen Lebensbedingungen <strong>und</strong> den darin liegenden<br />

Beschränkungen dem einzelnen zugeschoben.<br />

Da F. H. von der - erstahnlichen - Auffassung ausgeht, daß »Unterwerfung<br />

unter Fremdbestimmung innerhalb des Vergesellschaftungsprozesses ...<br />

zumindest heutzutage nicht mehr mit Gewalt« geschieht (1 980b, 92), bleibt <strong>für</strong><br />

sie nur die Annahme, die Unterwerfung sei lediglich eine freiwillige Unterstellung<br />

unter Normen. Der Befreiungsprozeß wird damit <strong>für</strong> sie zu einer rein innerpsychischen<br />

Angelegenheit: Er soll im wesentlichen in der Auflösung verfestigter<br />

Persönlichkeitsstrukturen <strong>und</strong> in der Umerziehung der Gefühle bestehen.<br />

Diese »Umstrukturierung« der Persönlichkeit löse, wie es weiter heißt, einen<br />

»Verunsicherungsprozeß besonders krisenhaften Ausmaßes« (1980a, 649)<br />

aus <strong>und</strong> könne nur im kollektiven Maßstab, z.B. in den Frauengruppen, vollzogen<br />

werden. Die Kollektivität wird hier also nicht als Voraussetzung des effektiven<br />

Widerstandes gegen die unterdrückenden Verhältnisse diskutiert, sondern<br />

soll primär der emotionalen Absicherung der Umpolung der je individuellen<br />

Persönlichkeitsstruktur dienen. Welche Gefühle konkret >>Umzuerziehen«<br />

sind, wird nicht näher bestimmt: Das sei ein großes Forschungsfeld<br />

(1981a). Gegen die Sinnhaftigkeit einer solchen Forschung überhaupt spricht<br />

jedoch die materialistische Gr<strong>und</strong>einsicht, daß sich die Menschen keineswegs<br />

beliebig von ihren Bedürfnissen <strong>und</strong> Gefühlen befreien, sondern dies nur in<br />

dem Maße können, wie sie ihnen in ihrem Handeln Rechnung tragen, die Bedingungen<br />

ihrer Befriedigung schaffen bzw. sie über die Veränderung der Daseinsverhältnisse,<br />

durch welche sie bedingt wurden, selbst verändern.<br />

Die Vorstellung, daß die Menschen, bevor sie die Verhältnisse ändern, sich<br />

selbst ändern/befreien müssen, ist zwar außerordentlich verbreitet <strong>und</strong> entsprechend<br />

eingängig, aber dennoch in dieser verkürzten Form falsch. Wenn<br />

man sich so einfach per individueller Entschlußkraft über die objektiven Entwicklungs<br />

beschränkungen <strong>und</strong> subjektiven Unterwerfungstendenzen hinwegsetzen<br />

könnte, erhebt sich in der Tat die Frage, warum man die gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse überhaupt noch verändern soll. Die eigene Entwicklung ist<br />

identisch mit meiner Beteiligung an der Änderung der Verhältnisse, unter denen<br />

meine Entwicklung behindert ist.<br />

Die »Sucht« der Frauen nach persönlichen Beziehungen kann somit nicht,<br />

DAS ARGUMENT 136/1982

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