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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Die unsoziale Familie 827<br />

Ein paar Streitfragen zum Abschluß: wenn ich behaupte, daß. die Familie<br />

nicht im Verfall begriffen, sondern eine außerordentlich einflußreiche <strong>Ideologie</strong><br />

ist; wenn ich behaupte, daß sie eine unsoziale <strong>Institut</strong>ion <strong>und</strong> <strong>Ideologie</strong> ist,<br />

was machen wir dann damit? Diese Frage wird immer gestellt, wenn man sich<br />

traut, öffentlich aufzustehen <strong>und</strong> etwas zur Familie zu sagen: »Was würdest<br />

Du an ihre Stelle setzen?« Über diese Frage müssen wir uns Gedanken machen.<br />

Ich möchte eine sehr polemische Antwort geben <strong>und</strong> erwidern:<br />

»Nichts!« Die Antwort ist nicht so lächerlich, wie sie zunächst klingen mag.<br />

Was verstehen wir unter Familie? Wenn man darunter versteht, wie wir in einer<br />

künftigen Gesellschaft Verwandtschaft organisieren wollen, können wir<br />

darüber diskutieren. Wenn man daran denkt, wie emotionale <strong>und</strong> sexuelle Bedürfnisse<br />

befriedigt werden, gut, diskutieren wir das. Wenn man daran denkt,<br />

wie Haushalte organisiert werden sollten, wie eine vernünftige <strong>und</strong> befriedigende<br />

Organisation von Lebensformen aussehen sollte, reden wir darüber.<br />

Wenn man darunter versteht, wie wir die Familienideologie reproduzieren sollen,<br />

die ich bereits als ein extrem unsoziales Element 'der' Familie gekennzeichnet<br />

habe, können wir das diskutieren. Das Entscheidende ist, daß es sich dabei<br />

um verschiedene Elemente dessen handelt, was 'Familie' heißt. Es ist eine ideologische<br />

Konstruktion, daß alle diese Dinge notwendig zusammengehen. Wenn<br />

wir also versuchen, etwas an die Stelle der Familie zu setzen, verstricken wir<br />

das automatisch wieder in denselben Komplex gesellschaftlicher Verhältnisse,<br />

weisen wir ihm automatisch dieselbe privatisierte <strong>und</strong> unsoziale Rolle zu. Man<br />

könnte es folgendermaßen formulieren: die Vorstellung eines spezifischen Ortes<br />

der Familie, den wir einfach etwas anders besetzen könnten, ist falsch.<br />

Wenn man ein Buch über die Familie schreibt, muß man konkrete Vorschläge<br />

machen, deshalb sind in unserem Buch (Micheie Barrett, Mary McIntosh:<br />

The Anti-social Family, London 1982) auch konkrete Ansätze zu unmittelbaren<br />

Reformen, die sicherlich einige Privilegien der ideologisch sanktionierten<br />

Familienform abbauen würden. Zwei Aspekte sollten bei jeder Diskussion<br />

über Familienpolitik berücksichtigt werden. Der eine ist die frühe Maxime der<br />

Frauenbewegung der 60er Jahre: »Das Persönliche ist politisch«, die in den<br />

verfeinerten 80er Jahren altmodisch geworden zu sein scheint. Einer der Gründe<br />

da<strong>für</strong>, daß die Politik der Familie der Frauenbewegung <strong>und</strong> der Linken entgleiten<br />

konnte, ist, daß wir die hartnäckige <strong>und</strong> lästige Vorstellung, das persönliche<br />

Leben sei politisch, aufgegeben haben. Das Zweite ist die Feststellung,<br />

daß es unter <strong>und</strong> zwischen Feministinnen <strong>und</strong> Sozialist(inn)en ganz erhebliche<br />

Meinungsverschiedenheiten in dieser Frage gibt. Ich bin mir bewußt, daß die<br />

Position, die ich hier vertrete, äußerst umstritten ist. Ich muß dazu sagen, daß<br />

ich keinesfalls irgendeine Strömung des britischen Sozialismus oder Feminismus<br />

repräsentiere. Kommt also bitte nicht auf die Idee, alle britischen sozialistischen<br />

Feministinnen stünden der Familie feindlich gegenüber. Worauf es<br />

aber meiner Ansicht nach ankommt, ist, daß Menschen unterschiedlicher Meinung,<br />

mit unterschiedlichen Bindungen <strong>und</strong> Kritikpunkten die Familienfrage<br />

offen diskutieren.<br />

DAS ARGU~ENT 136/1982,"

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