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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Soziologie 897<br />

schaftsjargon. Die ohnehin oft theoriemüden Studenten, <strong>für</strong> die dieses Buch doch wohl<br />

auch gedacht ist, könnten geneigt sein, eine ernsthafte Lektüre erst zu beginnen, nachdem<br />

sie sich in Wagners Büchlein über den Uni-Bluff Trost <strong>und</strong> Stärkung geholt haben.<br />

Und das wäre schade!<br />

Karin Priester (Münster)<br />

Crozier, Michel, <strong>und</strong> Erhard Friedberg: Macht <strong>und</strong> Organisation - Die Zwänge kollektiven<br />

HandeIns. Athenäum Verlag, Königstein/Ts. 1979 (392 S., br., 46,- DM)<br />

Die Arbeit, so erfährt man auf dem Umschlag des Buches, stelle einen im deutschsprachigen<br />

Raum bisher nicht rezipierten Denkansatz dar; doch so furchtbar originell ist die<br />

Sache dieser in Frankreich sehr einflußreichen soziologischen Schule um M. Crozier nun<br />

auch wieder nicht: es ist die mit einer Prise Existentialismus <strong>und</strong> Popper versehene <strong>und</strong><br />

radikalisierte Weiterentwicklung von Ansätzen der amerikanischen Handlungstheorie,<br />

welche in vielem auf die verstehende Soziologie Max Webers zurückgeht. Die Arbeit läßt<br />

sich nur bedingt als organisationssoziologisch klassiflzieren, ihr Anspruch ist umfassender.<br />

Es soll nicht nur formal-organisiertes, sondern kollektives Handeln <strong>und</strong> - da<br />

menschliches Handeln sich nahezu immer in bezug auf das Handeln anderer Menschen<br />

manifestiert - Handeln somit schlechthin erklärt werden, sollen Paradigmen aufgezeigt<br />

werden, mit deren Hilfe es der Analyse zugänglich wird. Den Begriff »<strong>Theorie</strong>« verwenden<br />

die Autoren ungern <strong>für</strong> ihr nicht gerade bescheidenes Unternehmen, meist sprechen<br />

sie von einer Denkweise (im frz. Original »mode de raisonnement«), die die Analyse<br />

konkreter <strong>und</strong> begrenzter Handlungsfelder ins Auge faßt, ohne von einem »deterministisch«<br />

vorgefaßten Begriff der Gesellschaft auszugehen, zumal »es im Augenblick nicht<br />

möglich ist, eine allgemeine <strong>Theorie</strong> sozialer Systeme zu entwickeln« (148).<br />

Kollektives Handeln ist laut Crozier/Friedberg ein »gesellschaftliches Konstrukt«, etwas<br />

»Künstliches«, es geschehe nicht spontan oder naturmäßig, sondern unter verschiedenen,<br />

ständig wechselnden Bedingungen als organisiertes Handeln (7). Die meisten<br />

<strong>Theorie</strong>n zur Erklärung kollektiven Handelns gingen von nur einer, die Handlungen der<br />

Teilnehmer prägenden Rationalität (»one-best-way« [14]) aus, doch diese eine Rationalität<br />

existiere nicht: Nach Auffassung der Autoren hat jeder Akteur immer einen gewissen<br />

Grad von Autonomie in seinen menschlichen Beziehungen; keine Organisation, <strong>Institut</strong>ion,<br />

gesellschaftliche Struktur etc. könne Verhalten determinieren, <strong>und</strong> sei ihr Druck<br />

auch noch so groß. Jedes Individuum behalte immer einen bestimmten Freiheitsgrad der<br />

Entscheidung, welchen es in einer jeweils besonderen Situation in einem »Kontext begrenzter<br />

Rationalität« als Strategie (33) unter Berücksichtigung der vorhandenen Zwänge<br />

<strong>und</strong> Möglichkeiten mit dem Ziel einsetze, sein Eigeninteresse so weit wie möglich zu<br />

verwirklichen. Der nicht auflösbare Freiheitsgrad der Individuen werde somit zur Quelle<br />

von Unsicherheit <strong>für</strong> die Organisation. Daher sei die Analyse der ein jeweiliges Feld<br />

strukturierenden Machtbeziehungen die wichtigste Aufgabe der Soziologie (54); denn<br />

die Geschichte kollektiver Aktionen zeige (z.B. die russische Revolution), daß sich die<br />

Eigenlogik der Organisation auf das zu erreichende Ziel in einer ihm oft entgegenlaufenden<br />

Weise auswirke. Ebenso sei dies ein schwerwiegendes (bisher kaum beachtetes) Hindernis<br />

<strong>für</strong> Veränderungen, z.B. <strong>für</strong> die Implementation einer neuen, veränderten (staatlichen)<br />

Politik oder einer neuen Zielsetzung einer Organisation. Jede Veränderung (z.B.<br />

Verwaltungsreform) stoße immer auf ein schon vorhandenes Handlungs- <strong>und</strong> Austauschsystem,<br />

in welchem jeder Teilnehmer <strong>für</strong> sich günstige Bedingungen zu bewahren<br />

trachte (254ff.).<br />

Das Buch liest sich in weiten Teilen als eine Kritik an »deterministischen« Verhaltens-,<br />

Handlungs- oder Gesellschaftstheorien (Le. systemtheoretische, kybernetische, psychologische,<br />

marxistische Ansätze etc.), der man in vielen Fällen zustimmen muß (cf. Kritik<br />

am Behaviorismus). Zur Beschreibung der Regeln eines Handlungssystems verwenden<br />

die Autoren den Begriff »Spiel«, da er jede deterministische Vorbestimmung (wie z.B.<br />

DAS ARGUMENT 136/1982

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