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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Medizin 909<br />

der Frauen in den widersprüchlichen Strukturen. Wie müßten sie sich selbst verändern,<br />

um die Strukturen zu verändern?<br />

Welche Schwierigkeiten Wissenschaftlerinnen haben, die Frauen nicht nur als Opfer<br />

zu sehen, auch dann, wenn sie ihre Forschung ausdrücklich als parteiliche Forschung<br />

von Frauen <strong>für</strong> Frauen betreiben, die Frau selbst als Subjekt ihres Ges<strong>und</strong>- bzw. Krankseins<br />

verstehen wollen, wird in den beiden methodologischen <strong>und</strong> forschungsprogrammatischen<br />

Beiträgen von Ulrike Schneider deutlich. Obwohl sie vom Begriff menschlicher<br />

Subjektivität (wie ihn die Kritische Psychologie entwickelt hat) ausgeht, fehlen die<br />

Fragen nach der Art <strong>und</strong> Weise, wie die Individuen die objektiven Strukturen leben <strong>und</strong><br />

reproduzieren, in dem von ihr vorgeschlagenen Forschungsprogramm weitgehend. Die<br />

Forschungsfragen bleiben meist den objektiven Strukturen verpflichtet, erst die »Umsetzung«<br />

wendet sich dem subjektiven »Verhalten« zu (208). Die in dem Buch vorgestellten<br />

Berichte zeigen aber, daß die Frauenbewegung <strong>und</strong> -forschung faktisch schon viel entwickelter<br />

ist, als dies in forschungsprogrammatischen Formulierungen zum Ausdruck<br />

kommt. - Johanna Kootz geht es um die Bedingungen, die präventives Verhalten verhindern,<br />

bzw. möglich machen. Sie verweist darauf, wie Frauen mit den ihrer eigenen<br />

Entwicklung feindlichen Anforderungen, dem nur <strong>für</strong> Andere dasein müssen, dem<br />

Zwang, einander widersprechenden Anforderungen gerecht werden zu müssen, umgehen:<br />

es gibt den Weg der subjektiven Sinngebung, aber auch den Weg des Zurückweichens<br />

auf gesellschaftlich den Frauen zugestandene Reaktionen der Schwäche, des<br />

Kränkelns <strong>und</strong> der Hilfsbedürftigkeit. Wir erfahren, wie die Medizin beteiligt ist an der<br />

Fixierung der Probleme durch die Lokalisierung in den individuellen Frauenkörper. Allgemein<br />

kann davon ausgegangen werden, daß die Medizin die Wahrnehmung der Beschwerden<br />

von Frauen strukturiert <strong>und</strong> sozial entschärft. Aus Kling-Kirchners Bericht<br />

über eine Beratungsstelle im Rahmen einer Westberliner Gruppenpraxis wird deutlich,<br />

wie immer wieder die Gefahr besteht, daß die Frauen selber die Medizinisierung ihrer<br />

Probleme akzeptieren.<br />

Ilona Kickbusch berichtet die Geschichte der amerikanischen Frauenges<strong>und</strong>heitsbewegung,<br />

welche der Medizin den Kampf ansagte: Ihr kommt eine Schlüsselfunktion bei<br />

der Unterdrückung der Frauen zu wegen der Bedeutung, die der Körper in der Geschlechterherrschaft<br />

spielt. Von Anfang an stand Politik um den Körper daher im Zentrum<br />

feministischer Bewegung. Ging es zunächst gegen den biologischen Determinismus,<br />

so in einem zweiten Schritt um die eigene Identitätsgewinnung über die Besonderheit<br />

des eigenen Körpers. Die Diskussion um Frigidität, Hysterie <strong>und</strong> Depression entlarvte<br />

diese Krankheitsbilder als professionelle Mythenbildung aber zugleich auch als<br />

weibliche Formen der Flucht <strong>und</strong> Auflehnung in einem - <strong>und</strong> zeigt den Ausweg:<br />

»Wenn ein Teil der sozialen Kontrolle über Medizin <strong>und</strong> Medikalisierung abläuft, wenn<br />

das Unglück <strong>und</strong> die Unterdrückung von Menschen sich häufig in Krankheiten manifestiert,<br />

dann liegt es nahe, daß auch der Widerstand beginnen wird, sich dem Körper <strong>und</strong><br />

der Politik, die ihn umgibt, zuzuwenden.« (196) Barbara Nemitz (Berlin/West)<br />

Kerstan, Birgit, <strong>und</strong> Helga Wilde (Hrsg.): Selbstbestimmung in der Offensive: Frauenbewegung,<br />

Selbsthilfe, Patientenrecht. VerlagsgeseUschaft Ges<strong>und</strong>heit, Berlin/West<br />

1981 (270 S., br., 12,50 DM)<br />

Das Buch ist der fünfte von insgesamt sieben Bänden, die die Veranstaltungen <strong>und</strong> Diskussionen<br />

des ersten Ges<strong>und</strong>heitstags 1980 in Berlin dokumentieren. Neben den Frauenthemen<br />

sind Psycho- <strong>und</strong> Körpertherapien enthalten sowie die Vorstellung von Patientenorganisationen.<br />

Der Frauenteil umfaßt 17 Aufsätze, die sich nach einem allgemein<br />

einleitenden Teil in drei Abschnitte gliedern: 1) Frau <strong>und</strong> Pharma, 2) Sexualität­<br />

Verhütung-Abtreibung-Geburt, 3) Frau <strong>und</strong> Älterwerden. Diese inhaltliche Abgrenzung<br />

kann nicht strikt eingehalten werden, so daß Wiederholungen <strong>und</strong> Überschneidungen in<br />

DAS ARGUMENT 136/1982 ©

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