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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Kunst- <strong>und</strong> Ku{turwissenscha!t 891<br />

der bisherigen kunsthistorischen Forschung zu Pieros Bildern auseinander. Seine methodischen<br />

Überlegungen, die allerdings <strong>für</strong> Kunsthistoriker nicht ganz neu sind, machen einen<br />

Großteil seiner Argumentation aus. Sie dienen nicht zuletzt dazu, die GrellZÜberschreitung<br />

eines Historikers auf »fremdes« Terrain zu legitimieren. Seit die Geschichtswissenschaft<br />

sich stärker auf »archäologische«, »stumme« Quellen bezieht, statt allein<br />

schriftlichen Überlieferungen zu trauen, liegt es nahe, auch Bilder auf neue Weise als historische<br />

Dokumente zu sehen. Allerdings vermißt man bei diesem Versuch Ginzburgs<br />

die eigentliche Stärke seiner historischen Forschung, nämlich durch indirekte Quellen<br />

verschüttete, weithin unartikulierte Volkskulturen zu rekonstruieren. Seine »Erk<strong>und</strong>ungen<br />

über PierO« dringen weder zu kollektiven Mentalitäten vor noch zu klassenspezifischen<br />

Kulturen, die einander durchdringen oder sich gegeneinander abgrenzen. Es handelt<br />

sich vielmehr im Kern um eine traditionelle ideengeschichtliche Untersuchung.<br />

Ginzburg geht es darum, die Arnalgarnierung politischer Vorstellungen neuer - bürgerlicher<br />

- führender Schichten mit der alten dominanten kirchlichen Sprache ihrer Zeit<br />

nachzuweisen. Um tiefer liegenden Motivationen <strong>und</strong> sozialen Erfahrungen, die nicht<br />

allein in kirchenpolitischen Überlegungen aufgehen, in den Bildern nachzuspüren, hätte<br />

sich Ginzburg auch auf die ästhetische Inszenierung der Motive, sowie auf die Rolle des<br />

Malers bei der Ausführung der Aufträge einlassen müssen. Jutta Held (Osnabrück)<br />

Karl Bloßfeldt 1865-1932. Das fotographische Werk. Mit einem Text von Gert Mattenk1ott.<br />

Verlag Schirmer/Mosel, München 1981 (548 S., Ln., 78,- DM)<br />

»Gleich vorneweg: Das hier ist nicht der 'gesamte Bloßfeldt'. Es handelt sich um das bislang<br />

veröffentlichte <strong>und</strong> hier nun wieder zugänglich gemachte Werk, das vom erhaltenen<br />

fotographischen Gesamtoeuvre ungefahr ein Zehntel ausmacht«, schreibt der Herausgeber<br />

der »Urformen der Kunst« (zuerst 1928) <strong>und</strong> des »W<strong>und</strong>ergarten der Natur« (1930)<br />

Gert Mattenklott in seinem einleitenden Text »Fotographischer Naturalismus um 1900<br />

<strong>und</strong> 1930« (9-67). Nicht nur um den Nachweis der Bedeutung des Fotografen Karl Bloßfeldt<br />

- »einer der Pioniere des neuen Sehens der zwanziger Jahre« (9) - allein geht es<br />

Gert Mattenklott, sondern um die Wiederaneignung des optischen Sinnes durch die Fotogeschichte,<br />

die nicht als ordnende Wissenschaft, sondern als ein Durchgang zu einem<br />

richtigen Sehen ihre Relevanz bekommt: »Eben dabei hilft die Kenntnis der Geschichte<br />

der Fotos, der Absichten, die in sie eingegangen sind, der Abneigungen <strong>und</strong> Vorlieben,<br />

deren Ergebnis sie sind. Bedeutungen, Bildideen, Bildinhalte können so erschlossen werden,<br />

die der aktuell geblendete Blick womöglich übersieht. In diesem Sinn sollte die Fotogeschichte<br />

- statt die Sinne abzulenken - sie aufklären <strong>und</strong> anspitzen.« (11)<br />

Karl Bloßfeldt war mehr Didakt als Künstler. Von 1898 bis zu seinem Tod lehrte erzunächst<br />

als Dozent, ab 1921 als Professor - an der kunstgewerblichen Anstalt in Berlin,<br />

die später der Hochschule <strong>für</strong> Bildende Künste zugeordnet wurde. Bloßfeldts Pflanzenfotografien<br />

dienten als Vorlagen <strong>für</strong> den Zeichen- <strong>und</strong> Modellierunterricht. Die Erstausgabe<br />

der »Urformen der Kunst« stieß auf eine übergreifende Zustimmung, wurde<br />

von der Neuen Sachlichkeit ebenso aufgenommen, wie von den Surrealisten. Analogien<br />

»zu den surrealistischen Frottagen der 'Histoire Naturelle' von Max Ernst« wurden in<br />

der zeitgenössischen Rezeption betont, <strong>und</strong> Georges Bataille illustrierte seinen Aufsatz<br />

über »Le langage des fleurs« in seinen »Documents« mit Bloßfeldt-Fotos« (10). Gert<br />

Mattenklott rekonstruiert in seinem Text, v.ie »das Gefallen an der Schönheit dieser Bilder<br />

aus der Logik des sozialen <strong>und</strong> ästhetischen Umfelds begründet werden« kann (12).<br />

Der Genesis von Bloßfeldts Ästhetik gilt das I. Kapitel »Kunst, Natur <strong>und</strong> Technik um<br />

1900« (13ff.): »Sie ist vielmehr, etwa zu gleichen Teilen, aus Gottfried Sempers Gedanken<br />

über neuen Stil, Ernst Haeckels Naturphilosophie <strong>und</strong> Anregungen aus der Praxis<br />

botanischer Dokumentation zusammengesetzt.« Die frühesten Fotografien - »man hat<br />

das bisher übersehen« - sind in den Lehrbüchern »des <strong>für</strong> den Zeichenunterricht an der<br />

DAS ARGUMENT 136/1982

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