16.11.2013 Aufrufe

Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

880 Besprechungen<br />

Leistung der Subjektivität, d.h. jedes Einzelnen. Wo sie verweigert werden oder (aus<br />

Gründen, die in dominanten subjektiven Orientierungen oder 'objektiven' Verhältnissen<br />

liegen) nicht gelingen, kennt auch die Philosophie keine Wege, die in das vernünftige Leben<br />

führen.« (182) Demgegenüber haben Marx <strong>und</strong> Engels schon vor über 100 Jahren<br />

nachgewiesen, daß die Hoffnung auf die Einsicht aller, daß es vernünftig sei, vernünftig<br />

zu sein, bloß eine schöne Utopie ist, bzw. daß das Scheitern der aufklärerischen Vernunftautonomie<br />

systematisch in diesem Konzept angelegt ist.<br />

Diese Gefahr eines abstrakten, unwirksamen Utopismus scheint Mittelstraß selbst zu<br />

sehen, wenn er schreibt: »Voraussetzung da<strong>für</strong>, daß das alles nicht nur ein Prinzip Hoffnung<br />

bleibt, ist, daß sich das wissenschaftliche Subjekt wieder als bürgerlich, d.h. als<br />

Teil einer republikanisch verfaßten Praxis, <strong>und</strong> als Träger universaler Orientierungen begreifen<br />

lernt.« (33) Abgesehen von der elitär anmutenden Annahme, daß die wissenschaftlichen<br />

Subjekte allein die Vernünftigkeit der Verhältnisse garantieren könnten, hat<br />

auch dieser Versuch, aus der Utopie in die Wirklichkeit zu gelangen, zur Voraussetzung,<br />

über die Einsichtigkeit aller die Vernünftigkeit im Handeln herstellen zu können, bleibt<br />

somit selbst utopisch. Daß Mittelstraß dieses Problem nicht in den Griff bekommt, liegt<br />

m.E. an der Abstraktheit des zugr<strong>und</strong>eliegenden Handlungsbegriffes. Handeln wird<br />

vorgestellt als die Handlungsfahigkeit des je Einzelnen unabhängig <strong>und</strong> getrennt von den<br />

Verhältnissen, unter denen gehandelt wird. Damit erscheint aber Macht als etwas, das<br />

sich dem Zugriff <strong>und</strong> der Veränderung durch die handelnden Subjekte entzieht, ihnen<br />

gleichsam naturwüchsig gegenübersteht. Wird aber die konstitutive Bedeutung des Handelns<br />

<strong>für</strong> die Ausbildung bestimmter Verhältnisse mitreflektiert - marxistisch: wird die<br />

Dialektik von Verhalten <strong>und</strong> Verhältnissen zum Gegenstand der Reflexion gemacht -,<br />

dann sind es nicht je einzelne <strong>und</strong> isolierte Subjekte, die sich einer dominanten Macht<br />

gegenübersehen, sondern es sind Klassen, die ökonomisch <strong>und</strong> politisch um die Durchsetzung<br />

ihrer Ziele in einer Gesellschaft kämpfen. Und unter der Perspektive des Klassenkampfes<br />

ergeben sich auch konkret bestimmbare Handlungsmöglichkeiten <strong>für</strong> z.B.<br />

wissenschaftliche Subjekte zur Durchsetzung einer »vernünftigen« wissenschaftlichen<br />

Praxis. Solange aber darauf vertraut wird, daß bloßes Wollen einzelner Subjekte eine<br />

bessere Praxis zum Resultat hat, werden auch die besten Diagnosen faktischer Verhältnisse<br />

nicht zu erfolgreichen Therapien eben dieser Verhältnisse führen.<br />

Michael Weingarten (Bodenheim/Rh.)<br />

Schmied-Kowarzik, Wolfdietrich: Die Dialektik der gesellschaftlichen Praxis. Zur Genesis<br />

<strong>und</strong> Kemstruktur der Marxschen <strong>Theorie</strong>. Verlag Kar! Alber, Freiburg/München<br />

1981 (312 S., br., 48,- DM)<br />

Das zentrale Interesse der Arbeit besteht darin, zur »Rekonstruktion« philosophischer<br />

Aspekte in der Marxschen <strong>Theorie</strong> beizutragen. Der Hauptteil des Bandes verfährt weitgehend<br />

monographisch. Drei Aufsätze im Anhang beziehen sich auf die Vorgeschichte<br />

oder Rezeption der Marxschen <strong>Theorie</strong>. Der erste Beitrag verdient insofern besondere<br />

Erwähnung, als er ein Motiv der Hegeischen Philosophie expliziert, das in Schrnied-Kowarziks<br />

Erörterung der Marx.schen <strong>Theorie</strong> an zentraler Stelle wieder auftaucht: die Logik<br />

des Übergreifens. Übergreifendes Denken ist nach Hegel nicht nur ein auf das denkende<br />

Subjekt selbst <strong>und</strong> die außer ihm liegende Objektwelt bezogenes Denken, sondern<br />

eine dialektische Bewegung, in der die vorgängige Trennung zwischen Für-ein-Anderes<br />

<strong>und</strong> An-sich-selbst-Sein aufgehoben wird (vgl. 232). Die Rede von der übergreifenden<br />

Subjektivität des Geistes bei Hegel impliziert demzufolge, daß Natur <strong>und</strong> Geschichte, also<br />

alles Materielle als Moment dem Entwicklungsgang des Geistes einbegriffen ist. Die<br />

Logik des Überschreitens bleibt jedoch ausschließlich auf die logische Natur des philosophischen<br />

Begriffs bezogen, wie bereits Schelling bemängelt (vgl. Kap. IX.). Nach<br />

Schmied-Kowarzik nimmt Marx das Modell in seine Darstellung gesellschaftlicher PranAS<br />

ARGUMENT 136/1982

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!