Abschlussbericht - IW

Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Unternehmer und Soziale Marktwirtschaft im Schulbuch
________________________________________________________________________________________
2.3.2 Erdkunde
Der Lehrplan Erdkunde – Lernbereich Gesellschaftslehre an Hauptschulen nennt unter Aufgaben
und Ziele des Faches die „Vermittlung von Raumhandlungsfähigkeit“. Darunter ist eine sozialräumliche
Identitätsbildung als Akt der Emanzipation zu verstehen – etwa „als Reaktion auf
erlittene bzw. drohende Raumentfremdung“ oder eine „sinnleere und handlungsarme Alltagswelt,
die Individuen zu erleidenden Objekten macht“ (MSW NRW, 2007, 46f.). Der Erdkunde-
Unterricht steht damit eindeutig im Kontext der politischen Bildung, wie etwa dem Stufenschwerpunkt
der Jahrgangsstufe 7/8 zu entnehmen ist: „Die Schülerinnen und Schüler sollen
fähig und bereit werden, sich für Fragestellungen nach Ungerechtigkeit und Gerechtigkeit von
Zuständen, Entscheidungen und Handlungen sowie Ungleichheiten und Unterentwicklung zu
öffnen ...“(MSW NRW, 2007, 63.). Anknüpfungspunkte zu den Themen der Fragestellung dieser
Analyse finden sich unter anderem in der Lerneinheit „Produktionsstrukturen und Wirtschaftsräume“
der Jahrgangsstufe 5/6 und in der Lerneinheit „Wirtschaftssysteme und Herrschaftsstrukturen
in ihrer Raumwirksamkeit und handlungsbestimmenden Funktion“ der Jahrgangsstufe
9/10. Die Schüler erfahren, dass Produktionsstrukturen und Wirtschaftsräume abhängig sind
von Standortfaktoren und Standortbedingungen. Die Begegnung mit unternehmerischem Handeln
erfolgt auf der Ebene der subjektiven Betroffenheit. Diese ist herzustellen mit den Hinweisen:
„Wunsch nach einem gesicherten Arbeits- oder Ausbildungsplatz“, Abhängigkeit der Menschen
von Industriebetrieben“, Schließung und Verlagerung von Industriebetrieben“ (MSW
NRW, 2007, 89).
In der Lerneinheit „Wirtschaftssysteme und Herrschaftsstrukturen in ihrer Raumwirksamkeit und
handlungsbestimmenden Funktion“ der Jahrgangsstufe 9/10 werden beispielsweise markt- und
planwirtschaftliche Systeme durch „unterschiedliche Mitwirkungsmöglichkeiten von Individuen in
Politik, Wirtschaft und Kultur sowie Konsummöglichkeiten“ (MSW NRW, 2007, 105) erklärt –
nicht etwa durch die begrifflichen Kategorien wirtschaftliche Freiheit und politische Rechte.
Zweiter Themenschwerpunkt dieser Einheit sind Strukturwandel und Arbeitslosigkeit, insbesondere
„Ökonomische, ökologische und soziale Folgen von Strukturveränderungen in wirtschaftlich
einseitig geprägten Räumen: Arbeitslosigkeit, Umschulungszwang, erzwungene Mobilität,
Wohnort- und/bzw. Arbeitsplatzwechsel, Kohlenzechenwanderung, Unternehmensverlagerung,
Siedlungsveränderung, Landschaftsverbrauch“ (MSW NRW, 2007, 107). Eine Einordnung dieser
Thematiken in ein Referenzsystem ökonomische Bildung, aus dem heraus Verstehen und
Lösungsoptionen zu begründen wären, wird jedoch nicht geleistet. So nennt der Lehrplan zwar
insgesamt 18 Schlüsselbegriffe des Analyserasters (siehe Übersicht Seite 34 ff.). Allerdings tauchen
die meisten Schlagwörter nur im Sinne einer begrifflichen Nennung ohne Erklärung auf.
So wird das Wort „soziale Marktwirtschaft“ (S. 105) einmal verwendet und unternehmerisches
Handeln im Kontext von Strukturwandel und Arbeitslosigkeit eher negativ konnotiert.
Der Lehrplan Erdkunde – Lernbereich Gesellschaftslehre an Hauptschulen behandelt demnach
Ökonomie-affine Themen. Doch ist dieser weit davon entfernt, den angesprochenen Themen
aus wirtschaftsdidaktischer Sicht gerecht zu werden. Der aktuell gültige Lehrplan Erdkunde –
Lernbereich Gesellschaftslehre an Hauptschulen stammt aus dem Jahr 1989 und wurde 2007 in
unveränderter Form nachgedruckt. Es ist offenkundig, dass dieser den Anforderungen an ökonomische
Bildung nicht gerecht wird und im Grunde die Programmatik der „Rahmenvorgaben
Ökonomische Bildung“ in der Sekundarstufe I unterläuft.
________________________________________________________________________________________
Abschlussbericht vom 11. Januar 2010 Seite 22 von 114