Als die Teilchen laufen lernten - Pedro Waloschek Homepage
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94<br />
Kasten 10<br />
Das Vakuum der Speicherringe<br />
Gaedes Vakuumpumpen aus Wideröes Zeit in Karlsruhe konnten<br />
im besten Fall einen Druck von 10 -6 Millibar in einem gut verschlossenen<br />
Gefäß aufrechthalten. Dies reichte knapp aus, um Betatrons,<br />
Zyklotrons, Synchrotrons und Linearbeschleuniger zu betreiben. In<br />
all <strong>die</strong>sen Maschinen ist ein Beschleunigungsvorgang im Bruchteil<br />
einer Sekunde abgeschlossen.<br />
Die Lage ändert sich grundsätzlich, wenn man versucht, <strong>Teilchen</strong><br />
über längere Zeit in einem Ring zu speichern. Man muß<br />
mindestens einen Faktor Hundert besser werden. Hier zeigte sich<br />
bald, daß nur dort, wo es besonders gute Vakuumspezialisten gab,<br />
solche Apparaturen gebaut werden konnten.<br />
Die Lage ändert sich noch einmal, wenn man 10 10 Elektronen<br />
oder Positronen speichern will: Die entstehende Synchrotronstrahlung<br />
wärmt das Vakuumrohr sehr stark auf, und dabei entweichen<br />
Gase, <strong>die</strong> an jeder Metalloberfläche angelagert sind. Mit<br />
Wasserkühlung wird <strong>die</strong> Wärme abgeführt, aber <strong>die</strong> Gase müssen<br />
abgepumpt werde. Es dauert oft viele Wochen, bis das Vakuum für<br />
den Betrieb eines Speicherringes ausreicht, also bei eingeschaltetem<br />
Strahl mindestens etwa 10 -8 Millibar entspricht. Und es muß<br />
auch dauernd weitergepumpt werden.<br />
Die Synchrotronstrahlung der Protonen ist (bei den heute erreichbaren<br />
Energien) vernachlässigbar, und es gibt praktisch keine<br />
Aufwärmung der Vakuumkammer. Am Speicherring HERA bei<br />
DESY [Wa91] wird das 6 km lange Vakuumrohr des Protonenstrahls<br />
auf 4,2 Kelvin kalt gehalten. Es wirkt dann so ähnlich wie<br />
eine sogenannte Kryopumpe: Etwa noch vorhandene Gase kondensieren<br />
an der Oberfläche. Das Vakuum ist dann so gut, daß man es<br />
nicht mehr messen kann, was 10 -11 Millibar entspricht (oder besser).<br />
Die mittlere Lebenszeit des Protonenstrahls beträgt dann über<br />
50 Stunden.<br />
Viele technische und industrielle Innovationen waren nötig, um<br />
solch einen Fortschritt in der Vakuumtechnik zu erreichen und<br />
somit den Bau moderner Speicherringe möglich zu machen. Es<br />
werden praktisch nur mehr metallische Bauteile benutzt. Kunststoffe<br />
aller Art, Öl und Quecksilber, gehören der Vergangenheit an.<br />
Vakuumdichte Schweißnähte, Flansche und Hartlötverfahren kommen<br />
zum Einsatz. Die Lecksuche bei dem sogenannten »Ultrahochvakuum«<br />
hat sich zu einem Beruf für Könner entwickelt.