Als die Teilchen laufen lernten - Pedro Waloschek Homepage
Als die Teilchen laufen lernten - Pedro Waloschek Homepage
Als die Teilchen laufen lernten - Pedro Waloschek Homepage
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die Patentschrift auf den Seiten 183 bis 186 enthält den ersten<br />
bekannten Vorschlag für den Bau eines Speicherringes. Wideröe nannte<br />
ihn »Reaktionsröhre« oder »Kernmühle«. <strong>Als</strong> Ringbeschleuniger kam<br />
damals nur der Strahlentransformator (oder Betatron) in Frage, der<br />
einzige, in dem <strong>Teilchen</strong> auf einer festgelegten Ringbahn stabil um<strong>laufen</strong>.<br />
Das Synchrotron gab es noch nicht. Wideröe dachte wohl an<br />
relativ kleine Ringe und an <strong>Teilchen</strong>energien von einigen MeV. Deshalb<br />
schlug er vor, <strong>Teilchen</strong> gleicher elektrischer Ladung (Atomkerne) mit<br />
elektrischen Feldern (<strong>die</strong> ja relativ schwach auf <strong>die</strong> <strong>Teilchen</strong> wirken) auf<br />
Kreisbahnen entgegengesetzter Richtung zu zwingen. Diese Art von<br />
Speicherring wurde nie gebaut.<br />
In der Patentschrift wird aber auch der Vorschlag erwähnt, elektrisch<br />
positiv und negativ geladene <strong>Teilchen</strong> in einer Ringröhre, mit Hilfe von<br />
Magnetfeldern (<strong>die</strong> ja viel stärker wirken), in entgegengesetzter Richtung<br />
um<strong>laufen</strong> und kolli<strong>die</strong>ren zu lassen. Wideröe nennt als positive<br />
<strong>Teilchen</strong> Atomkerne (und besonders Protonen), <strong>die</strong> gegen negative<br />
Elektronen in einem Ring stoßen, was durchaus machbar ist. Genau solch<br />
eine Einrichtung wurde 1972 bei DESY von H. Gerke, H. Wiedemann,<br />
B. Wiik und G. Wolf vorgeschlagen: Protonen und Elektronen sollten im<br />
Speicherring DORIS zum Zusammenstoß gebracht werden. Aber schon<br />
im Jahr 1960 hatte ja Bruno Touschek <strong>die</strong> Idee Wideröes mit Positronen<br />
und Elektronen zum ersten Mal in Frascati zum Funktionieren gebracht<br />
und den Siegeszug <strong>die</strong>ser Maschinen eingeleitet.<br />
Das zweite Patent, das hier auf den Seiten 187 bis 196 gezeigt wird,<br />
beinhaltet eine wissenschaftliche Abhandlung zur Theorie und zum<br />
Aufbau von Synchrotrons (Wideröe nannte sie »Gigator«). Es enthält<br />
viele Ideen, <strong>die</strong> heute als Grundregeln beim Bau von Synchrotrons und<br />
Speicherringen betrachtet werden. Es ist erstaunlich, wieviel Neues<br />
Wideröe damals entwickelt hat, als er 1945 in Oslo arbeitslos war und viel<br />
Zeit dafür hatte (das Patent hat BBC bei Wideröes Einstellung 1946 von<br />
ihm erworben). Die fast gleichzeitig entstandenen Vorstellungen von<br />
McMillan [Mc45] und Veksler [Ve45] enthalten zwar im Prinzip ähnliche<br />
Ideen, aber weniger praktische Anregungen.<br />
Die beiden hier wiedergegebenen Patente Wideröes und noch einige<br />
mehr kann man zu einem guten Teil als wissenschaftliche Beiträge<br />
betrachten. <strong>Als</strong> Patente haben sie der Firma BBC wohl keine nennenswerten<br />
Lizenzeinnahmen gebracht. Und als dann größere und jetzt sogar<br />
auch industriell nutzbare Speicherringe gebaut wurden, waren <strong>die</strong> Patente<br />
schon längst abge<strong>laufen</strong>. Vom historischen Standpunkt sind es aber<br />
interessante Dokumente, <strong>die</strong> das erstaunliche Niveau der damaligen<br />
Gedankengänge Wideröes klar beweisen.<br />
P.W.<br />
182