Festivalkatalog der Ruhrtriennale 2022
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Was bestimmt das Leben mehr als <strong>der</strong> Gedanke an dessen Endlichkeit? Der kleine<br />
Schritt über die Schwelle am Ende – in Wahrheit eine Ewigkeit. In seinem letzten Werk<br />
Quatre chants pour franchir le seuil – Vier Gesänge, die Schwelle zu übertreten schickt<br />
<strong>der</strong> Komponist Gérard Grisey zuerst den Engel über die ominöse Schwelle, dann die<br />
Zivilisation, die Stimme und schließlich die Menschheit. Und jedes Mal erscheint die<br />
Membran zwischen Leben und Tod durchlässiger.<br />
Claude Vivier blickt in seiner letzten Komposition Glaubst du an die Unsterblichkeit <strong>der</strong><br />
Seele seinem Lebensende ganz direkt ins Angesicht. Er skizziert es exakt so, wie es sich<br />
wenig später ereignete – als wäre <strong>der</strong> Tod bereits ins Leben eingezogen. Bleibt also auch<br />
das Leben im Tod präsent?<br />
Vier Frauen folgen in <strong>der</strong> Musiktheaterkreation Ich geh unter lauter Schatten den Pfaden<br />
des Übergangs, stoßen Türen zu verwandten Geistes- und Klangwelten von Giacinto<br />
Scelsi und Iannis Xenakis auf und lassen durch ihre transzendenten Übungen eine<br />
Ahnung metaphysischen Daseins im irdischen Leben aufscheinen.<br />
Griseys Musique liminale (Schwellenmusik) ist dabei selbst eine Art Transzendenzprodukt.<br />
Er übertritt die Grenze des Tons und macht aus dessen feinen Mikrotönen sein<br />
ganzes Vokabular. Scelsi hatte diese Reise ins ungreifbare Innere des Tons in meditativen<br />
Séancen begonnen und damit ein Terrain erschlossen, das sowohl für Grisey als<br />
auch für Xenakis wegbereitend war. In ihren Händen wird starre, begrenzende Materie<br />
weich und lebendig. Begriffe wie innen und außen o<strong>der</strong> diesseits und jenseits werden<br />
hinfällig. Spätestens Griseys Wiegenlied am Ende räumt ein, dass die drastische Kluft<br />
zwischen Leben und Tod vielleicht nur eine menschgemachte Angstchimäre ist, hinter<br />
die zu blicken wir verlernt – o<strong>der</strong> nie gelernt haben.<br />
What shapes life more than the idea that it is finite? In reality, that small step over the<br />
threshold at its end is an eternity. In his final work, Quatre chants pour franchir le seuil<br />
(Four Songs to Cross the Threshold), Gérard Grisey sends the angel across this ominous<br />
threshold first, then civilisation, then the voice and, finally, the human race. And each<br />
time, the magical membrane seems more porous.<br />
In his final composition, Glaubst du an die Unsterblichkeit <strong>der</strong> Seele (Do You Believe in<br />
the Immortality of the Soul), Claude Vivier looks the end of his life directly in the eye. And<br />
sketches it precisely as it would later turn out – as if death had moved into his life long<br />
ago. Does life also remain present in death?<br />
In the music theatre creation Ich geh unter lauter Schatten (I walk among many shadows),<br />
four women follow these rites of passage, pushing open doors to related worlds<br />
of sound and ideas by Giacinto Scelsi and Iannis Xenakis – and through their transcendental<br />
exercises they allow some sense of metaphysical existence to become apparent<br />
in earthly life.<br />
Grisey’s musique liminale (liminal music) is itself a product of transcendence: he enters<br />
the limits of the note and creates an entire vocabulary out of these fine microtones.<br />
Scelsi had begun this journey into the impalpable interior of the note in meditative<br />
séances and opened up a territory that paved the way for both Grisey and Xenakis. In<br />
their hands, stiff, limiting material becomes soft and lively. Concepts such as interior and<br />
exterior, or life and after-life, become redundant. In Grisey’s closing lullaby, at the latest<br />
there is an acknowledgement that the drastic gulf between life and death is perhaps only<br />
a chimera generated by human fears: one that we have lost the ability to see through – or<br />
that we never learned in the first place.<br />
Musikalische Leitung<br />
Peter Rundel<br />
Regie<br />
Elisabeth Stöppler<br />
Bühnenbild<br />
Hermann Feuchter<br />
Kostüme<br />
Susanne Maier-Staufen<br />
Sound Design<br />
Thomas Wegner<br />
Licht Design<br />
Ulrich Schnei<strong>der</strong><br />
Dramaturgie<br />
Barbara Eckle<br />
Musikalische Studienleitung<br />
Arnaud Arbet<br />
Kyoko Nojima<br />
Einstudierung Chor<br />
Béni Csillag<br />
Regieassistenz<br />
Stefanie Hiltl<br />
Bühnenbildassistenz<br />
Antonia Kamp<br />
Kostümassistenz<br />
Sonja Schön<br />
Inspizienz<br />
Jens Fischer<br />
Stimme 1<br />
Sophia Burgos<br />
Stimme 2<br />
Kerstin Avemo<br />
Stimme 3<br />
Kristina Stanek<br />
Stimme 4<br />
Caroline Melzer<br />
Sprecher<br />
Eric Houzelot<br />
Chorwerk Ruhr<br />
Klangforum Wien<br />
Jahrhun<strong>der</strong>thalle Bochum<br />
Do 11. August ___________________ 21.00 Uhr<br />
Fr 12. August ___________________ 21.00 Uhr<br />
Sa 13. August ___________________ 21.00 Uhr<br />
Mo 15. August ___________________ 21.00 Uhr<br />
Do 18. August ___________________ 21.00 Uhr<br />
So 21. August ___________________ 21.00 Uhr<br />
Tickets: 82 / 67 / 52 / 37 / 22 €,<br />
ermäßigt ab 11 €<br />
In französischer und deutscher<br />
Sprache mit deutschen und<br />
englischen Übertiteln<br />
Dauer: ca. 1h 40min<br />
Eine Produktion <strong>der</strong><br />
<strong>Ruhrtriennale</strong><br />
Aufführungsrechte Musik:<br />
G. Ricordi & Co. Bühnen- und<br />
Musikverlag GmbH<br />
Éditions Salabert, Paris<br />
Boosey & Hawkes · Bote & Bock<br />
GmbH<br />
Geför<strong>der</strong>t durch die Kulturstiftung<br />
des Bundes. Geför<strong>der</strong>t von <strong>der</strong><br />
Beauftragten <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
für Kultur und Medien.<br />
Geför<strong>der</strong>t durch die Alfried<br />
Krupp von Bohlen und<br />
Halbach-Stiftung.<br />
www.ruhr3.com/grisey<br />
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