Festivalkatalog der Ruhrtriennale 2022
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ich ein Komplott zerstören und eines neu schaffen.<br />
So will ich eine Fiktion entwerfen, eine Erzählung, die<br />
mich trägt und die auch trägt, wo ich mich konzeptionell<br />
hinbewege. Dieses Stück nimmt seinen Anfang im<br />
westlichen Teil von Hispaniola, auch bekannt als Ayiti,<br />
wo wir herkommen. 3 An diesem Ort finden und fanden<br />
viele Zerstörungen statt. Da dieser Ort mich berührt,<br />
bin ich ein Produkt von dessen Bekenntnis zum Westlichen<br />
Humanismus. Während die heutige Dominikanische<br />
Republik weiterhin in Weißsein investiert, wurden<br />
und werden die reichhaltigsten Geschichten unserer<br />
Schwarzen und Indigenen Vorfahren zu Geistergeschichten.<br />
Sie werden für irrelevant, unecht o<strong>der</strong> mythologisch<br />
erklärt; weil diese Geschichten das Potenzial<br />
bergen, Europas Komplott zu zerstören, die ganze<br />
Welt seiner eigenen Vorstellung zu unterwerfen.<br />
Ich denke, ich arbeite im Allgemeinen daran, Fiktionen<br />
zu schaffen, die furchtlos sind, die keine Angst vor <strong>der</strong><br />
Grenzüberschreitung, vor dem Regelverstoß, haben –<br />
so naiv das auch klingt. In dieser Arbeit ist <strong>der</strong> Verstoß<br />
nichts, das inszeniert, aufgeführt o<strong>der</strong> gar versprochen<br />
werden muss. Stattdessen legt das Stück nahe, dass diese<br />
Überschreitung schon da ist, dass sie entgegen aller<br />
Hürden bereits ersonnen wurde und weitergehen wird.<br />
SLC: Und diese Grenzüberschreitung kann als skandalös<br />
erachtet werden. Öffentlich gegen die Normen <strong>der</strong> Darstellbarkeit<br />
zu verstoßen und das Komplott aufzudecken,<br />
schafft die Bedingungen <strong>der</strong> Möglichkeit eines Skandals.<br />
In diese Richtung deutete ich, glaube ich, auch, als ich die<br />
Öffentlichkeit unseres Plots thematisierte. Denn Erzählmotive<br />
sind immer von Begehren und Fantasien geprägt,<br />
die in Heimlichkeit verborgen bleiben, obwohl manche<br />
dieser Begehren und Fantasien buchstäblich prägen, wie<br />
wir uns durch die Welt bewegen. Welche Rolle spielt Begehren/Fantasie<br />
in diesem Werk?<br />
LL: Die Fantasie, ein Werk zu schaffen, in dem mein<br />
Körper Ruhe finden kann – fern von <strong>der</strong> erschöpfenden<br />
Arbeit, zu erklären und zu übersetzen. Es gibt eine<br />
Geschichte <strong>der</strong> Verwerfung und Gewalt, die mein Körper<br />
unvermeidlich in sich trägt. Könnte mein Gegenentwurf<br />
– meine Schwarze Rahmung und Erzählung<br />
– nahelegen, dass darin <strong>der</strong> Skandal liegt? Wenn ich<br />
das anerkenne, kann ich mit meinen Experimenten die<br />
grausamen Vermessungen zerstören und überschreiten,<br />
die von einem ethnisierenden Westlich-europäischen<br />
Blick aus kartiert wurden, <strong>der</strong> sich selbst für<br />
universell hält. Es macht Freude, eine an<strong>der</strong>e Spur jenseits<br />
dieses Blicks nachvollziehen zu können, die nicht<br />
kategorisch, transparent und deutlich bestimmbar ist.<br />
Dieses Stück spielt mit dem Skandal – nicht wegen seiner<br />
aufreizenden Anziehung, son<strong>der</strong>n wegen seines Potenzials,<br />
gegen gesellschaftliche Grenzziehungen aufzubegehren.<br />
Ich experimentiere hier, spiele mit performativen<br />
Codes und Manierismen, die auf komödiante Weise einige<br />
Unanständigkeiten <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft aufdecken.<br />
Doch mein Plot endet nicht da, wo die bürgerliche<br />
Gesellschaft sich selbst erkennt. Er führt zu einem an<strong>der</strong>en<br />
Schluss, ruft zu etwas an<strong>der</strong>em auf, zu einer an<strong>der</strong>en<br />
Art von Narrativ, in einem Raum, den ich nicht benennen<br />
möchte. Ich vertraue darauf, dass er spürbar wird.<br />
3 Übersetzerische Anmerkung: Gemeint ist hier das heutige Staatsgebiet <strong>der</strong> Dominikanischen Republik. Ayiti steht im haitianischen Creole<br />
für den Staat Haiti, aber auch für die ganze Insel Hispaniola. Hier fand die erste erfolgreiche Revolution gegen die Versklavung Schwarzer<br />
Menschen statt, die zur Gründung <strong>der</strong> Republik Haiti führte (siehe auch C.L.R. James: Die schwarzen Jakobiner).<br />
SARAH M. LEWIS-CAPPELLARI ist eine Afro-Dominikanisch-Amerikanische Kulturschaffende und<br />
Fellow am UCLA, <strong>der</strong> University of California. Sie beschäftigt sich in ihrem PHD mit<br />
<strong>der</strong> Materialität und Symbolik von Rohrzucker, um dessen »Nährwert« für rassistische<br />
Imaginationen zu verdeutlichen. Für unseren Katalog hat sie mit ihrer Schwester, <strong>der</strong><br />
Choreografin und Performerin LIGIA LEWIS gesprochen, die erstmals eine Arbeit bei <strong>der</strong><br />
<strong>Ruhrtriennale</strong> zeigen wird, das Solo A PLOT / A SCANDAL.<br />
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