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Festivalkatalog der Ruhrtriennale 2022

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»Harawi« stammt aus <strong>der</strong> Quechua-Sprache <strong>der</strong> Andenregion und bezeichnet eine<br />

Form von Liebeslied, das mit dem Tod <strong>der</strong> Liebenden endet. Im Liebestod liegt die<br />

höchste Erfüllung <strong>der</strong> Liebe. Der Schritt über die Schwelle zum Tod macht sie erst<br />

vollkommen. Um den Liebestod kreist auch <strong>der</strong> Mythos von Tristan und Isolde, wie ihn<br />

Richard Wagner in seiner gleichnamigen Oper verarbeitet hat. Der französische Avantgardist<br />

Olivier Messiaen greift diese transzendente Idee auf und ergründet sie in seiner<br />

Tristan-Trilogie aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven – zum ersten Mal 1945 in<br />

seinem Lie<strong>der</strong>zyklus Harawi, <strong>der</strong> den Untertitel Chant d’amour et de mort (Gesang von<br />

Liebe und Tod) trägt. Die Texte dazu stammen von Messiaen selbst. Es sind surreale,<br />

teilweise lautmalerische Gedichte von starker Sinnlichkeit und Symbolkraft, hauptsächlich<br />

in französischer Sprache. In Schlüsselmomenten jedoch greift Messiaen zu<br />

Quechua-Wörtern, weniger wegen <strong>der</strong>en Bedeutung als wegen des assoziationsstarken<br />

Klangs ihrer Silben. Vom aufgeregten Warngeschrei <strong>der</strong> Affen (pia pia pia pia pia) bis<br />

hin zum hypnotisierenden Klingeln von Piroutchas Fußkettchen beim Tanz (Doundou<br />

Tchil) – in oft absur<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung, Variation o<strong>der</strong> Spiegelung betritt Messiaen hier<br />

eine urtümlich direkte Ausdrucksebene, eine Art metaphysische Musik, die alle Verrücktheit,<br />

Verzweiflung, Macht und Ekstase einer alles verzehrenden Liebe beschwört,<br />

die ans Äußerste geht – und darüber hinaus.<br />

»Harawi« comes from the Quechua language of the Andes region and refers to a genre<br />

of love songs that culminate with the lovers’ deaths. The greatest fulfilment is in dying<br />

for love. Stepping over the threshold to death makes love complete. Dying of love also<br />

lies at the heart of the myth of Tristan and Isolde, as adapted by Richard Wagner in his<br />

opera of that name. In his Tristan trilogy, the French avant-garde composer Olivier Messiaen<br />

takes this transcendent idea and examines it from different prespectives – first, in<br />

1945, in his song cycle Harawi, which is subtitled Chant d’amour et de mort (Song of Love<br />

and Death). The lyrics were written by Messiaen himself. These are surreal, sometimes<br />

onomato poetic poems with strong sensuality and symbolism, written primarily in French.<br />

However, at key moments, Messiaen resorts to Quechua words, less for their meaning<br />

than for the associative sound of their syllables. From the excited warning cries of the<br />

apes (pia pia pia pia pia) to the hypnotic ring of Piroutcha’s ankle bracelet as she is<br />

dancing (Doundou Tchil), Messiaen, often using absurd repetition, variations or mirroring,<br />

enters a primeval and direct level of expression, a kind of metaphysical music conjuring<br />

up all the madness, desperation, power and ecstasy of an all-consuming love that goes<br />

to extremes - and beyond.<br />

Gebläsehalle, Landschaftspark<br />

Duisburg-Nord<br />

Tickets: 37 / 27 / 17 €,<br />

ermäßigt ab 8,50 €<br />

Sa 17. September_______ 20.00 Uhr<br />

Dauer: ca. 70min<br />

www.ruhr3.com/harawi<br />

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