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Festivalkatalog der Ruhrtriennale 2022

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zusammengequetscht in kleinen Wohnungen, die meisten<br />

Gebäude sind ziemlich heruntergekommen. Die<br />

Lebensbedingungen sind ziemlich mies. Ich habe mich<br />

eher gefragt: Wieso müssen wir uns damit abfinden?<br />

Vielleicht kann man nicht viel än<strong>der</strong>n, aber wir können<br />

uns doch fragen: Wie können wir das verbessern?<br />

Solche Fragen habe ich mir damals gestellt (…) und<br />

ich glaube, ein paar von den Fragen kamen in <strong>der</strong> Produktion<br />

vor. Mit viel Fantasie und Humor vermischt,<br />

aber sie sind da …<br />

Nompilo: Als wir zum Beispiel über die Verbrechensrate<br />

hier nachgedacht haben, kamen wir schließlich auf<br />

eine Geschichte, in <strong>der</strong> uns Handys aus den Händen<br />

wachsen, so dass sie niemand klauen kann!<br />

Als Pearl und Nompilo beschreiben, wie biografische Elemente<br />

in die fiktionalen Motive <strong>der</strong> Produktion einflossen,<br />

kommen wir auf die Proben und die Zusammenarbeit<br />

zu sprechen.<br />

Die Inszenierung kommt zustande<br />

Tshepang: Ich weiß noch, wie wir am Anfang <strong>der</strong> Proben<br />

einfach zusammengesessen und miteinan<strong>der</strong> über<br />

Hillbrow gesprochen haben, über die Tänzer:innen, die<br />

hier wohnen, über die Zukunft … Das hat mir Spaß gemacht.<br />

Der Probenprozess war nicht gerade einfach,<br />

an<strong>der</strong>erseits haben wir uns richtig frei gefühlt. Wir<br />

konnten alles, was uns damals durch den Kopf ging,<br />

auf <strong>der</strong> Bühne ausprobieren und hier miteinan<strong>der</strong> besprechen.<br />

Nompilo Hadebe<br />

Jackson: Zuerst waren die Proben komisch. Wir haben<br />

so viel ausprobiert und hatten keine Ahnung, wie das<br />

nachher zusammenkommt. Aber mit <strong>der</strong> Zeit habe ich<br />

begriffen, wie das Stück von einem Thema zum an<strong>der</strong>en<br />

übergeht.<br />

Pearl: Ich habe viel über meinen Körper herausgefunden<br />

und was <strong>der</strong> so draufhat. Ich weiß noch, dass ich<br />

irgendwas einmal nicht hinbekommen habe und am<br />

nächsten Tag aufgewacht bin und es besser machen<br />

wollte. Das hat mir das Selbstvertrauen gegeben, mich<br />

nicht einzuschränken, nur weil ich kein Profi bin. Das<br />

Team hat immer unterschiedliche Fähigkeiten und Talente<br />

geför<strong>der</strong>t. Dadurch konnten wir uns weiterentwickeln<br />

und das auch zeigen und etwas Beson<strong>der</strong>es<br />

sein. Das war auch gesundheitlich gut! Nach <strong>der</strong> Inszenierung<br />

war ich nicht mehr so müde. Ich weiß nicht,<br />

wie es den an<strong>der</strong>en geht, aber ich bin mir ziemlich sicher,<br />

dass wir auch in <strong>der</strong> Schule besser wurden. Hier<br />

bei den Proben fühlten wir uns auch sicher. Wir waren<br />

praktisch eine Familie. Hier konnten wir zusammenarbeiten<br />

und uns gegenseitig respektieren.<br />

Nompilo: Die Leute, die da für dieses Stück zusammenkamen,<br />

haben sich respektiert und unterstützt,<br />

trotz und wegen aller Alters- und sonstiger Unterschiede.<br />

Oft haben die Älteren auf die Jüngeren aufgepasst.<br />

Pearl: Und diese Dynamiken, die wir im Theater entwickelt<br />

haben, reichten darüber hinaus bis in unser<br />

Privatleben hinein. Wenn jemand etwas durchmachte<br />

o<strong>der</strong> auf krumme Gedanken kam, haben wir uns zusammengetan<br />

und geholfen. Wir waren für einan<strong>der</strong><br />

da. Und irgendwie spürt man das in unserem Umfeld,<br />

bei unseren Eltern zum Beispiel. Ich will nicht sagen,<br />

dass sie Freunde wurden, aber trotzdem haben sie<br />

sich wahrgenommen: Sie haben sich geholfen, wenn<br />

die Kin<strong>der</strong> etwas brauchten, wenn jemand Corona<br />

kriegte, haben sie Essen gemacht usw. Diese Dynamiken<br />

betrafen also nicht nur uns.<br />

Pearls und Nompilos Bemerkungen über die Gruppendynamik<br />

während <strong>der</strong> Proben erinnert mich an all die Diskussionen<br />

über eine »Politik <strong>der</strong> Achtsamkeit«, die heute in<br />

<strong>der</strong> Kunstszene und <strong>der</strong> akademischen Welt so verbreitet<br />

sind. Ich staune darüber, wie die jungen Darsteller:innen<br />

die künstlerische Arbeit spontan mit einer weitergehenden<br />

Beziehung verbinden und so einige <strong>der</strong> Dauerfragen aus<br />

Kunst und Politik ganz konkret in den Vor<strong>der</strong>grund bringen.<br />

Die Zukunft schleicht sich von hinten an<br />

Jackson Magotlane<br />

In »Science fiction and the future« berichtet die Autorin<br />

Ursula Le Guin über die Vorstellung »quechuasprachiger<br />

Andenvölker […], dass man die Vergangenheit, die man<br />

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