Festivalkatalog der Ruhrtriennale 2022
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Liebes Publikum!<br />
Die wenigsten Menschen, die von außerhalb des Ruhrgebiets kommen,<br />
würden dieses als »schön« bezeichnen. Schön seien die Schwäbische Alb,<br />
das Allgäu und die Lüneburger Heide. Einig scheint man sich aber über<br />
den Umstand, dass die Menschen im Ruhrgebiet generell freundlicher und<br />
offener seien als an<strong>der</strong>swo in Deutschland; das habe womöglich – wie auch<br />
viele sagen, die selbst aus dem Ruhrgebiet stammen – mit <strong>der</strong> »Kumpelmentalität«<br />
zu tun, die noch auf die Montanindustrie zurückgehe. Im Übrigen<br />
fielen an <strong>der</strong> Ruhr aber doch die ausgedehnten grünen Flächen auf, <strong>der</strong> weite<br />
Himmel und die Auen entlang <strong>der</strong> Flüsse … Also doch Schönheit? Wo säße<br />
denn eigentlich die Instanz, die das Monopol über den Begriff des Schönen –<br />
und damit vielleicht gar über das Wahre und Gute hätte?<br />
Kaum jemandem ist es möglich, über eine Region zu urteilen, ohne Legenden<br />
und Klischees über sie ins Blickfeld zu rücken, und wir kennen die Tücken,<br />
die damit verbunden sind. Wir wissen, dass sich unsere Perspektive erheblich<br />
verengen kann, wenn wir alles, was wir über eine Gegend zu wissen glauben,<br />
fraglos als Ausgangspunkt unseres Sehens nehmen. Wie also wecken<br />
wir die Sehnsucht, die Zuschreibungen abzustreifen, diese Gegend an<strong>der</strong>s zu<br />
sehen, neu und gewissermaßen voraussetzungslos?<br />
Die Künste mögen dem Wandel <strong>der</strong> Zeit genauso unterworfen sein wie<br />
alle an<strong>der</strong>en Disziplinen. Sie können sich irren, sie können fadenscheinig<br />
werden, sie müssen sich mühsam mit ständig wechselnden Bedingungen und<br />
Beurteilungen anfreunden.<br />
Eines allerdings müssen sie immer tun, wenn sie ihre Kraft entfalten wollen:<br />
Sie müssen eine Behauptung aufstellen.<br />
Böhmen liegt am Meer betitelte Ingeborg Bachmann eines ihrer bedeutendsten<br />
Gedichte. Sie übernahm die geografisch falsche Behauptung von<br />
Shakespeares Wintermärchen, um poetisch die Möglichkeiten zu erkunden,<br />
wie eine Gesellschaft <strong>der</strong> Gegensätze zusammenrücken kann, wie sich unterschiedliche<br />
Formen <strong>der</strong> Künste annähern können und eine Perspektive auf<br />
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