SZENEN FÜR DEN »ORT DES SEHENS« UND KOMPLOTTE FÜR EINEN SKANDAL EIN GESPRÄCH VON SARAH LEWIS-CAPPELLARI MIT IHRER SCHWESTER LIGIA LEWIS A PLOT / A SCANDAL Ligia Lewis Tanz / PrePremiere ab 12. August <strong>2022</strong> Siehe S. 18 _______________ www.ruhr3.com/scandal 184
Es ist eine ungewöhnliche Gelegenheit, <strong>der</strong> Öffentlichkeit ein Gespräch mit meiner Schwester über das Solostück A plot / A scandal zu präsentieren. In Ligias Beschreibung handelt es sich gar nicht um ein Solo. Ich erkenne das an <strong>der</strong> Art, wie sich ihre Poetik auf <strong>der</strong> Bühne zeigt und wie für Ligia alles, was ihre Arbeit prägt – die Menschen, die Ideen, die Kunst, die Ereignisse, die Geister –, immer mit ihr in den Werken präsent ist. Gewissermaßen stehen wir schon lebenslang im persönlichen, künstlerischen und intellektuellen Dialog miteinan<strong>der</strong>. Das heißt, als Schwestern waren wir durch verschiedene Phasen unserer Leben an den Auseinan<strong>der</strong>setzungen beteiligt, die unsere jeweilige Arbeit antreiben. In unserer folgenden Unterhaltung erläutern wir einige dieser Auseinan<strong>der</strong>setzungen, die in Ligias jüngstem Werk A plot / A scandal thematisiert werden. Sarah Lewis-Cappellari: Hinsichtlich deiner künstlerischen Praxis, insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> jüngsten Arbeit, haben wir schon oft über diese dunkle und packende Metapher gesprochen, die mir manchmal in den Kopf kommt: von dir als Gevatter Tod, <strong>der</strong> durch die künstlerische Tötung rassistischer Logiken gegen Schwarze Menschen Raum für alternative Ausgänge schafft. Diese Logiken sind z.B. rassistische Sinneswahrnehmungen, in denen als Schwarz markierte Menschen zu visuellen Markern werden, anhand <strong>der</strong>er eine Hierarchie des Seins / <strong>der</strong> Gewichtung begründet, naturalisiert und (re)produziert wird. Ist dein neues Werk A plot / A scandal als Selbstporträt nun ein weiterer Versuch, solche Logiken zu stürzen und zu beseitigen? Willst du damit die reduzierenden Konzepte von Identität angreifen, die Rassifizierung, Klasse, Geschlecht, Sexualität, Befähigung etc. als knechtende Marker aufrechterhalten? Ligia Lewis: Wie können wir uns denn jenseits <strong>der</strong> Westlichen Konzeption des Selbst auf Identität beziehen? Westliche Konzepte von Identität sind zu stark mit dem Selbst befasst. Denn es gibt eine Machtmatrix, die Schwarzsein, An<strong>der</strong>sheit, Indigenität, Nicht-Weißsein als min<strong>der</strong>wertig o<strong>der</strong> defizitär figuriert. Still Not Still spielt ziemlich ausdrücklich und grotesk mit Macht: als einem grundlegenden, sich selbst erschöpfenden Wesenszug jenes Menschen, <strong>der</strong> als europäisch, weiß rassifiziert, heteronormativ, cis-männlich, allwissend und universell konzipiert wird. Indem ich aufzeige, wie Macht so willkürlich, ohne Sinn und Verstand operiert, versuche ich einen Weg aus ihren Fängen herauszufinden. Mit diesem Stück versuche ich, mich selbst zu kartieren – mit all meinen nuancierten, begehrenden, fiktiven und imaginativen Fähigkeiten; aber nicht als ein Selbstporträt, das die Komplexität und vielschichtigen historischen Narrative reduziert, aus denen sich Identitäten zusammenfügen. Diese Identitäten müssen benannt werden, um bestimmte politische Arbeit zu ermöglichen. Ich verstehe Identität also als eine politische Positionierung, die eine Reihe von Praktiken leiten kann. Daran orientiert sich auch meine Ausrichtung von Performance und Theater als Ort des Sehens, als Raum des Erkennens. Ich kartiere eine Praxis, die von meinen Inspirationen geprägt ist, von meiner Liebe fürs Theater und den Vorstellungswelten, zu denen es einlädt; sowie von all dem, gegen das ich mich wende, sobald ich in den Bezugsraum des Theaters eintrete. SLC: Als du neulich über Bil<strong>der</strong> und Geschichten sprachst, blieb mir beson<strong>der</strong>s im Kopf, dass du im Kontext <strong>der</strong> multiplen Geschichte/n, die dazu führen, wie wir die Welt erfahren, Klangbil<strong>der</strong> erzeugen möchtest. Indem du diese musikalische Metapher nutzt, um über Visualität zu sprechen, weist du uns sinnlich bereits auf etwas an<strong>der</strong>es hin. Du führst uns nicht zu einer visuell reduktiven Praxis, son<strong>der</strong>n zu einer, die nachklingt und wi<strong>der</strong>hallt, die nicht reduziert, nicht eingefangen werden kann, richtig? Ich finde diese Vorstellung von Klangbil<strong>der</strong>n und wie du das mit <strong>der</strong> Idee von Identität als politischer Positionierung zusammendenkst, wirklich interessant. LL: Ich mag diese Vorstellung eines klingenden Bildes – eines Bildes, das mehrere Ebenen aufruft, auf denen es wahrgenommen werden könnte. Ich arbeite mit multiplen Logiken <strong>der</strong> Sinnesorgane, was eine Art Chaos schafft, aus dem Dissonanz hervorgehen kann und Momente <strong>der</strong> Stille sprechen dürfen. SLC: Du näherst dich den tiefen, dunklen Angelegenheiten <strong>der</strong> Bedeutungsgebung in deinem Werk auf viele verschiedene Weisen. Eine davon ist <strong>der</strong> Humor – o<strong>der</strong> <strong>der</strong> »Unsinn«, »fuckery«, wie du es manchmal nennst. Vielleicht ist es eine Strategie, um die Absurdität von Alltagspraktiken <strong>der</strong> Beherrschung und Unterwerfung sowie die Absurdität jener politischen Architektur anzuprangern? Was findest du an Humor so produktiv? Was erzeugt o<strong>der</strong> eröffnet er für dich? Welche Wege ermöglicht er dir? 185
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