Festivalkatalog der Ruhrtriennale 2022
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Auch Weiße, die nicht Rassisten sind, fühlen sich angegriffen,<br />
weil alle sie für Rassisten halten. Alle waren<br />
also gestresst, und ich frage mich, wie das am Ende zu<br />
einer Einheit führen soll.<br />
Mir ist klargeworden, dass ich für Hillbrow eine Zukunft<br />
sehen will, in <strong>der</strong> alle friedlich und harmonisch zusammenleben<br />
… Leute mit verschiedener Herkunft leben<br />
zusammen und bilden eine Gemeinschaft. Ich will hier<br />
Liebe und Harmonie in Vielfalt sehen. Irgendwie glaube<br />
ich, dass das jetzt schon hier entsteht, aber ich finde,<br />
das könnte noch viel mehr sein.<br />
Tisetso Maselo<br />
Über Fiktionen und Realitäten<br />
»Ich will eine Zukunft sehen, in <strong>der</strong> …«: Wenn Tshepang<br />
seine Gedanken formuliert, muss ich wie<strong>der</strong> an Le Guins<br />
Bild <strong>der</strong> Zukunft als etwas denken, das per definitionem<br />
etwas ist, das wir nicht sehen können. »Wenn wir auf das<br />
schauen, was wir nicht sehen können, sehen wir nur Zeug,<br />
das wir im Kopf haben. Unsere Gedanken und Träume,<br />
die guten wie die schlechten.« Ist dieses »Zeug« <strong>der</strong>selbe<br />
Stoff, aus dem auch unsere Fiktionen sind, die Manifestationen<br />
<strong>der</strong> endlosen möglichen Kombinationen <strong>der</strong> Elemente<br />
unserer Erfahrungen und Realitäten?<br />
Wir diskutieren weiter über die beson<strong>der</strong>e Kraft von Fiktionen<br />
und fragen uns, welche Rolle sie für mögliche Realitäten<br />
spielen.<br />
Nompilo: Ich glaube, wenn ich ein Bild einer helleren<br />
Zukunft male und das irgendwo aufhänge, dann kann<br />
jemand, <strong>der</strong> das sieht, auf bestimmte Ideen kommen.<br />
In diesem Sinne glaube ich, dass Kunst tatsächlich die<br />
Welt verän<strong>der</strong>n kann!<br />
Pearl: Ich glaube, mit Vorstellungskraft und Fantasie<br />
kann man die Realität überdenken. Und allem, was<br />
schwierig und traurig und so ist, mal einen Augenblick<br />
lang entkommen. Als wir das Stück gemacht haben,<br />
hat das uns und unsere Familien, die sich das angesehen<br />
haben, verän<strong>der</strong>t. Das kam gut an, dass wir Kin<strong>der</strong><br />
uns selbst vorgestellt haben, wie alles an<strong>der</strong>s sein<br />
könnte und dass wir um uns herum etwas verän<strong>der</strong>n<br />
wollten. Davon konnten sie etwas mitnehmen.<br />
Nompilo spricht über eine Szene im Stück, die ihr gefällt;<br />
darin steht sie mit Lwadlile Thabethe (damals fünf<br />
Jahre alt) auf <strong>der</strong> Bühne:<br />
Ich spreche einen Monolog und er tanzt neben mir, er<br />
strahlt so eine weiche und intensive Energie aus. An <strong>der</strong><br />
Stelle im Stück habe ich das Gefühl, dass wir als Menschen<br />
aufgegeben haben (uns in das gefügt haben, was<br />
die Aliens in <strong>der</strong> Fiktion des Stücks von uns wollten).<br />
Das war irgendwie nostalgisch. Ich finde nämlich, dass<br />
wir Menschen in <strong>der</strong> echten Welt auch eine Menge aufgeben<br />
… Wir lassen Politiker Sachen entscheiden, die<br />
komplett sinnlos sind. Aber in dem Stück gibt es gleich<br />
nach dieser Stelle einen Kampf. Und da spüre ich die<br />
Energie, ich denke, wenn wir in echt so zusammenhalten<br />
könnten wie da auf <strong>der</strong> Bühne und zusammen kämpfen<br />
könnten, würde es so etwas wie Rassismus und Xenophobie<br />
nicht geben. Mit so etwas wie dem Coronavirus<br />
würden wir im Handumdrehen fertig!<br />
Auch für Tshepang ist das <strong>der</strong> schönste Moment im Stück.<br />
Für ihn geht es dabei um Einheit, darum, für einan<strong>der</strong> einzustehen:<br />
Verschiedene Leute aus verschiedenen Län<strong>der</strong>n<br />
– was wäre, wenn wir uns zusammentäten und für<br />
Harmonie und Frieden sorgten? Das ist für mich etwas<br />
ganz Beson<strong>der</strong>es. Einheit bleibt bestehen, trotz aller Unruhe<br />
und verschiedener Ansichten.<br />
ICH MUSS ETWAS<br />
ERLEDIGEN, ABER ES IST<br />
HOFFNUNGSLOS.<br />
ICH WILL WEG, EHE MIR<br />
DAS MORGEN UM<br />
DIE OHREN FLIEGT. HE,<br />
DAS MORGEN IST NOCH<br />
NICHT GESCHEHEN.<br />
ICH WÜRDE SAGEN, GIB<br />
IHM MAL EINE CHANCE.<br />
Andrea Hairstone, Mindscape<br />
Aus dem Englischen von Henning Bochert<br />
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