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Gesetz ohne Gott

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anstreben. Das positivistische Element, das in der Struktur der natürlichen <strong>Gesetz</strong>e als Stifter<br />

von Ambivalenz herausgestrichen wurde, kann von hier durchaus als Stärke in den Blick<br />

kommen. Wie gezeigt wurde, setzt Billigkeit stets innerhalb des Rahmens des gesetzten<br />

Rechts an, dessen grundsätzliche Einhaltung über das Gebot des pacta sunt servanda<br />

garantiert ist. Der Allgemeinheit einer positiven Ordnung dient Billigkeit als Korrektiv; da sie<br />

sich auf das Unberechenbare richtet, ist sie nach Derrida leicht in Ungerechtigkeit zu wenden<br />

und bedarf deshalb eines festen Rahmens, um diesen Umschlag so weit als möglich zu<br />

verhindern. Steht dieser positive Rahmen nun seinerseits unter der Bedingung einer<br />

gesellschaftlich geformten Vernünftigkeit, wird die Gefahr gebannt, dass Billigkeit erst allzu<br />

nachträglich in einem <strong>ohne</strong> jeden Rekurs auf die menschliche Natur gesetzten Gefüge zur<br />

Anwendung gelangt.<br />

Schliesslich ist von Hobbes zu lernen, dass der Bezug zur Positivität nicht nur als<br />

Voraussetzung der Billigkeit, sondern als Bedingung der Wirksamkeit natürlicher <strong>Gesetz</strong>e<br />

überhaupt notwendig ist. Zu Beginn dieser Arbeit wurde festgehalten, dass das Naturrecht das<br />

gesetzte Recht, in das es strebt, stets im Blick zu haben hat. Das Insistieren auf dem<br />

Setzungscharakter, das sich innerhalb der Hobbesschen Naturrechtskonzeption als<br />

Ambivalenz auswirkt, tut Not, wo das Naturrecht sich im gesetzten Recht verwirklichen, wo<br />

Naturrecht nicht bloss aus der menschlichen Natur abgeleitetes Postulat bleiben, sondern<br />

kodifiziertes Menschenrecht werden will. Beim naturrechtlichen Nachweis, „ein Recht auf<br />

das Recht“ 431<br />

zu haben, kann es nicht belassen werden. Vielmehr muss ein naturrechtlicher<br />

Entwurf auch die Bemühung um Positivität einschliessen, um Durchsetzung zu finden. Das<br />

Naturrecht, das dem positiven Recht als Massstab dienen und deshalb, wie Kelsen<br />

herausgearbeitet hat, zu ihm in Widerspruch treten können muss, hat zugleich immer auch<br />

einer Komponente Rechnung zu tragen, die Positivität sucht und stützt. Wenn das pacta sunt<br />

servanda innerhalb der Hobbesschen Naturgesetze deshalb auch zu erheblichen<br />

Schwankungen führt, so setzt es doch das Zeichen, dass es auf Setzung auch ankommt. Die<br />

Ambivalenz erweist sich vor diesem Hintergrund als eine stets notwendige, als eine<br />

Spannung, die es, Derridas Umgang mit Aporien zum Vorbild genommen, reflektierend<br />

auszuhalten statt gewaltsam zu entscheiden gilt. Denn nur, wenn diese Oszillation in<br />

naturrechtlichen Entwürfen ausgehalten und der Trieb zur Positivität aufrecht erhalten wird,<br />

besteht Hoffnung, das positive Rechtsgeschehen in eine Reflexion über seine eigenen<br />

Grundlagen zu führen und es für begründete Postulate zu öffnen.<br />

431<br />

Derrida: <strong>Gesetz</strong>eskraft, S. 76. In ähnlicher Weise spricht Max Weber vom „Recht des Rechtes“; Weber:<br />

Wirtschaft und Gesellschaft, S. 497.<br />

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