Gesetz ohne Gott

aber nicht zu dem Ende, dass das positive Gesetz zum natürlichen nicht in einen Widerspruch
geraten könnte. Nicht tritt das Naturgesetz als blosser Schweif des positiven Gesetzes in
Erscheinung, sondern dieses, geboren aus dem Geiste der lex naturalis, gilt auf lange Hand
nur, wo es den Zwecken der natürlichen Gesetze dient.
Verweilte man in Kelsens Bild der Reinen Rechtslehre und zöge mit Blick auf Hobbes die
Konsequenzen, fände sich eine material gedachte Grundnorm, aus der sich der Akt des
Vertragsschlusses derivativ ergibt, in der Pflicht zur Selbsterhaltung, die dem Vertrag und der
daraus resultierenden positiven Rechtsordnung ihre Schranke setzt. Hobbes’ Konzept kleidet
sich nicht in das Gewand, das Kelsen der Naturrechtslehre schneidert. Seine naturrechtlichen
Normen erfüllen, zumindest dem Anspruch nach, nicht die Funktion, eine beliebige
bestehende Satzung zu legitimieren, sondern nehmen das positive Gesetz, das als Idee
überhaupt erst dem natürlichen entspringt, in eine normative Schlinge.
Es stellt sich die Frage, was Kelsens Rechtslehre der nach seinem Bild verstandenen
Hobbesschen Konzeption voraus hat und die Antwort muss sich an dieser Stelle darauf
beschränken, dass sich sein positivistischer Ansatz von der Naturrechtslehre dadurch
unterscheidet, dass er seine eigene Bedingtheit anerkennt, indem er unter Verzicht auf externe
Begründungen keine Unbedingtheit herzustellen sucht. Was dieser Verzicht letztlich bedeuten
muss und ob er als eigenständige Alternative zu einem naturrechtlichen Ansatz in Betracht
kommen kann, soll in der Auseinandersetzung mit dem positivistischen Programm Carl
Schmitts beleuchtet werden.
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