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Gesetz ohne Gott

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auf frischer Tat ertappten Manipulator, Heuchler, Betrüger.“ 339<br />

Ein erneuter Rückgang zur<br />

Hobbesschen Konzeption mag von hier wie die Aufnahme eines längst entlarvten Tricks<br />

erscheinen und damit wenig aussichtsreich, wollte man ihn, den schon Entlarvten, ausspielen,<br />

und wenig ergiebig, wollte man ihn, den schon Entlarvten, entlarven.<br />

In zentraler Hinsicht unterscheidet sich allerdings ein naturrechtlich verstandenes<br />

Quellgebiet von demjenigen des rechtstheoretischen Positivismus, das Luhmann an der<br />

betreffenden Stelle vor Augen hatte. Letzteres „erspart jede weitere Frage nach der Natur des<br />

Rechts, dem Wesen des Rechts oder auch den Kriterien der Abgrenzung von Recht und Sitte,<br />

340<br />

Recht und Moral.“ Ersteres fragt hingegen in seiner säkularen Gestalt nach der Natur des<br />

Rechts unter Bezugnahme auf die Natur des Menschen. Oder anders formuliert: Letzteres<br />

sucht mit der Rechtsquellenlehre den gewaltsamen Ursprung zu verdecken, ersteres hat den<br />

Anspruch, einen gewaltfreien Ursprung zu finden.<br />

Doch hält Luhmann das Misstrauen wach, wenn er den Aufstieg der positivistischen<br />

Rechtsquellenmetapher gerade in den neuzeitlichen Vertragstheorien von Grotius und Hobbes<br />

341<br />

und in der dadurch begründeten staatlichen Rechtssetzungsautorität verortet. Bleibt man<br />

sich bewusst, dass Hobbes das bellum omnium in omnes und folglich auch die Notwendigkeit<br />

einer allseitigen Einigung nicht in einem engeren historischen Sinn versteht, so scheint der<br />

Hobbessche Unterwerfungsvertrag nicht weniger als Kelsens Grundnorm auf einen<br />

mystischen Grund der Autorität zu führen. 342 Und dies umso mehr, als, wie zu Beginn von<br />

Kapitel 4.3 erwähnt, Hobbes mit Blick auf die Geschichte einräumt, dass es auf der Welt<br />

kaum einen Staat gebe, dessen Ursprung sich guten Gewissens rechtfertigen liesse. 343<br />

Vor diesem Hintergrund wird fraglich, ob mit einem „rechtfertigungstheoretischen<br />

Prozeduralismus“, in dem Kersting den Kern der kontraktualistischen Begründung sieht, eine<br />

344<br />

Legitimation von Herrschaft und Recht zu erreichen ist. Besonders wenn darauf bestanden<br />

wird, dass Hobbes’ konstruktiver Kontraktualismus die Auflösung des naturrechtlichen<br />

Prinzipienobjektivismus bedeutet. 345<br />

Denn angesichts ihres hypothetischen Charakters scheint<br />

mir die allseitige Einigung nur dann mehr als einen mystischen Grund zu liefern, wenn sie auf<br />

naturrechtlichem Fundament, auf dem Fundament der menschlichen Natur in Betracht<br />

kommt.<br />

339<br />

Bruno Latour: Iconoclash, S. 17.<br />

340<br />

Luhmann: Das Recht der Gesellschaft, S. 524.<br />

341<br />

Vgl. ebd., S. 523f.<br />

342<br />

Vgl. dazu Hobbes: Leviathan, 1991, S. 97f.<br />

343<br />

Vgl. ebd., S. 539.<br />

344<br />

Vgl. dazu Kersting: „Einleitung: Die Begründung der politischen Philosophie der Neuzeit im Leviathan“, S.<br />

20. Das Argument des begründungstheoretischen Prozeduralismus, der die Autoritätslegitimation in der<br />

wechselseitigen Selbstbeschränkung qua Rechtsübertragung ansetzt, entfaltet Kersting ebd., S. 18-24.<br />

345<br />

Vgl. ebd., S. 19 sowie ders. im Vorwort zur 2. Aufl., S. 1.<br />

91

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