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Gesetz ohne Gott

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würde Recht, anders als bei Benjamin angezeigt, nicht bloss destruiert, sondern neu<br />

konstruiert:<br />

„Que le droit soit déconstructible n’est pas un malheur. On peut même y trouver la chance<br />

politique de tout progrès historique. Mais le paradoxe que je voudrais soumettre à la discussion<br />

est le suivant : c’est cette structure déconstructible du droit ou, si vous préférez, de la justice<br />

comme droit qui assure aussi la possibilité de la déconstruction. La justice en elle-même, si<br />

quelque chose de tel existe, hors ou au-delà du droit, n’est pas déconstructible. Pas plus que la<br />

déconstruction elle-même, si quelque chose de tel existe. La déconstruction est la justice.“ 330<br />

Ich zitiere Derrida auf Französisch, um an der Doppeldeutigkeit von justice das Miteinander<br />

von Deutlichkeit in der Unterscheidung und Nähe des Unterschiedenen aufzuweisen. Die<br />

justice als Gerechtigkeit, die sich nicht dekonstruieren lässt, dekonstruiert als déconstruction<br />

die justice comme droit, die Justiz, das Recht, das sich dekonstruieren lässt. Die justice als<br />

Recht ermöglicht damit die justice als Dekonstruktion und Gerechtigkeit bzw. die<br />

Gerechtigkeit als Bewegung der Dekonstruktion. Und eben diese Bewegung bringt Bewegung<br />

ins Recht und führt zu Geschichte: „Cette justice-là, qui n’est pas le droit, c’est le mouvement<br />

même de la déconstruction à l’oeuvre dans le droit et dans l’histoire du droit, dans l’histoire<br />

politique et l’histoire tout court, avant même de se présenter comme le discours qu’on intitule<br />

ainsi, dans l’académie ou dans la culture de notre temps – le ‚déconstructionnisme’.“ 331<br />

Geschichte steht unter der Bedingung von Recht und Gerechtigkeit. Dass das Recht<br />

dekonstruierbar ist, bildet die Voraussetzung der Dekonstruktion als Gerechtigkeit und damit<br />

des Wandels des Rechts sowie der Geschichte überhaupt. Denn nur weil sich etwas ereignen<br />

kann, was gegenüber den bisherigen Berechnungen, Regeln und Programmen anders ist, wird<br />

Zukunft und mit ihr Geschichte möglich: „La justice, comme expérience de l’altérité absolue,<br />

332<br />

est imprésentable, mais c’est la chance de l’événement et la condition de l’histoire.“ Dass<br />

die Dekonstruktion, welche die Gerechtigkeit ist, „son site ou plutôt son instabilité<br />

privilégiée“ zwischen Recht und Gerechtigkeit, „entre le droit et la justice“, findet 333 , erhält<br />

von hier seinen weniger paradoxen Sinn. Die Gerechtigkeit als dekonstruktive Bewegung<br />

treibt das Recht fort zu seiner gerechteren Alternative, zur Gerechtigkeit des Anderen und<br />

eben damit bleibt sie immer à venir, ist à-venir, avenir. 334<br />

Doch während Gerechtigkeit im Kommen ist, bleibt zurück, was am Anfang war: Die<br />

Aporie der (Be)gründung des Rechts. Dies kann sie nicht leisten, weil dekonstruktives<br />

Fragen, Derrida schickt es früh genug voraus, zwar an die Grundlagen des Rechts, der Moral<br />

und der Politik rührt, „<strong>ohne</strong> selber aber ein be-gründendes Verfahren zu sein oder sich gegen<br />

330<br />

Ders.: Force de loi. Le „Fondement mystique de l’autorité“, Paris: Éditions Galilée 1994, S. 35.<br />

331<br />

Ebd., S. 56.<br />

332<br />

Ebd., S. 61.<br />

333<br />

Ebd., S. 47f.<br />

334<br />

Zu diesem Spiel mit avenir vgl. ebd., S. 60f.<br />

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