Gesetz ohne Gott
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Gesetz ohne Gott
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Bild des Leviathan gerade für eine der beiden Seiten verwendet, von der sich auch Hobbes als<br />
früher Vertreter einer säkular argumentierenden Naturrechtstheorie abzugrenzen hatte: Dass<br />
Cassirer den Leviathan in einen Zusammenhang mit der Willkür des Staatsabsolutismus<br />
stellt 4<br />
, lässt die nicht leicht zu fassende Rolle erahnen, die Hobbes’ Lehre von den natürlichen<br />
<strong>Gesetz</strong>en dem vom Menschen gesetzten Recht einräumte.<br />
Eine historisch bedeutsame Stelle markiert Hobbes deshalb, weil bei ihm ein Problem<br />
detailliert hervortritt, das für die Geschichte der Rechtstheorie und des Rechts überhaupt von<br />
dauerhafter Relevanz bleiben sollte. Denn indem die Verabschiedung <strong>Gott</strong>es aus der<br />
Begründung des Rechts die Reflexion auf die irdische Sphäre des Menschen beschränkte,<br />
traten menschliche Natur und menschliche Setzung in der Frage der Rechtsgeltung in ein<br />
komplexeres Verhältnis. Die daraus erwachsenden Ambivalenzen und Aporien eröffneten bei<br />
Hobbes einen Problemhorizont, der seine Aktualität über die Jahrhunderte wahrte und stets<br />
von neuem als wichtiger Bezugspunkt diente. Ein präzises Verständnis des schillernden<br />
Phänomens der Rechtsgeltung bei Hobbes zu gewinnen, ist deshalb ein zentrales Anliegen<br />
dieser Arbeit. Eine erste Auseinandersetzung wird bei Hobbes zwar einen Vorrang des<br />
natürlichen vor dem positiven <strong>Gesetz</strong> erweisen, zugleich aber die nicht auszuräumenden<br />
Ambivalenzen deutlicher konturieren.<br />
Es war gerade das Ungenügen an solcher Ambivalenz, welches das Bedürfnis nach<br />
Eindeutigkeit weckte und der Entwicklung des rechtstheoretischen Positivismus Antrieb gab.<br />
Eindeutigkeit schien nur in einem selbstbezüglichen und oszillationsscheuen Positivismus<br />
erreichbar, der sich deshalb seit seinen Anfängen in Opposition zum Naturrecht definierte. 5<br />
In<br />
einem auf die Auseinandersetzung mit Hobbes folgenden Schritt soll geprüft werden,<br />
inwiefern die naturrechtskritischen Theorien Hans Kelsens, Carl Schmitts und Niklas<br />
Luhmanns als Lösungen für eine in der Moderne zunehmend problematisch gewordene<br />
Begründung von Recht in Betracht kommen. Allerdings wird die naturrechtliche Ambivalenz,<br />
wie sie sich bei Hobbes erweist, nur um den Preis einer positivistisch-dezisionistischen<br />
Aporie auszuschalten sein – um den Preis einer blossen Setzung, von der her Rechtsgeltung<br />
unbegründbar wird. Dass die Auswege, die Kelsen, Schmitt und Luhmann in je eigener Weise<br />
vorgeschlagen haben, in die stets selbe Ausweglosigkeit führen müssen, wird unter<br />
Bezugnahme auf Jacques Derrida und Walter Benjamin gezeigt.<br />
Die von positivistisch-dezisionistischer Seite vorgebrachten Entwürfe verstanden sich als<br />
Antwort darauf, dass die naturrechtliche Frage nach einer Recht begründenden Natur des<br />
Menschen keine befriedigende Antwort finden könne. Zur Methode der neuen Antworten<br />
4 Vgl. ebd., S. 6.<br />
5 Vgl. dazu Carl Schmitt: Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 2. Aufl., unveränd. Ausg.<br />
der 1934 in der Hanseatischen Verlagsanstalt Hamburg ersch. 1. Aufl., Berlin: Duncker & Humblot 1993, S. 26.<br />
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