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Gesetz ohne Gott

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Argumentation, die sich aus der historischen Lage ergeben musste. Seit dem 16. Jahrhundert<br />

hatte die Aufspaltung der Kircheneinheit destabilisierend auf die herkömmliche<br />

Gesellschaftsordnung gewirkt und kriegerische Auseinandersetzungen zwischen häufig<br />

wechselnden Lagern provoziert. Den sich auch für England abzeichnenden Krieg abzuwenden<br />

und, als dies nicht gelang, ihm ein Ende zu setzen, war das praktische Anliegen von Hobbes’<br />

politischer Philosophie. 23 Dies schien ihm nur über ein Recht erreichbar, das nicht die<br />

Positionen bestimmter Parteien präferierte, da dies nicht den Frieden, sondern nur neue<br />

Konflikte bringen konnte. 24 Die politische Überlegung, dass sich die Fürsten die religiösen<br />

Parteien nur unterzuordnen vermögen, wenn sie in der Begründung ihrer Herrschaft das<br />

Primat des Religiösen durchbrachen, stellt allerdings nur den einen Vorzug einer säkularen<br />

Argumentation dar. 25 Neben ihn tritt der methodische Vorzug, dass die ausserreligiöse<br />

Begrifflichkeit Hobbes auch in eine theoretisch überparteiliche Position versetzte, „von der<br />

aus er wiederum alle Parteien zusammen, als Parteien einer Geschehenseinheit, analysieren<br />

konnte.“ 26<br />

Das Mittel, durch das sich Hobbes nach Koselleck seine Überparteilichkeit sichert, ist die<br />

Trennung von innerer Gesinnung und äusserem Gehorsam, die schon Schmitt in den Fokus<br />

gerückt und als den Todeskeim markiert hatte, „der den mächtigen Leviathan von innen her<br />

27<br />

zerstört und den sterblichen <strong>Gott</strong> zur Strecke gebracht hat.“ Die Unterscheidung von<br />

innerem Glauben und äusserem Bekenntnis, die Schmitt als Hobbes’ „unausrottbaren<br />

individualistischen Vorbehalt“ bezeichnet, kommt Koselleck als „der unbewältigte Rest des<br />

Naturzustandes“ in den Blick. 28<br />

Wenn nun Koselleck die Auflösung des Absolutismus durch<br />

die Aufklärung dahin beschreibt, dass dieser jedem Individuum zugestandene moralische<br />

Binnenraum in einen politischen Anspruch umschlug, dann tritt er darin deutlich in die<br />

Fussstapfen Carl Schmitts. Doch scheint Koselleck einen Schritt weiter zu gehen, wenn er das<br />

Zugeständnis innerer Gewissensfreiheit zu Recht nicht als ein Abrücken vom eigentlich<br />

verfolgten Programm versteht, sondern als condicio sine qua non der Staatseinheit – selbst<br />

wenn in diese condicio bereits die prima causa einer aufklärerischen Unterhöhlung der<br />

23 Ein Zeichen dieses praktischen Anspruchs liefert nicht zuletzt Hobbes’ aktualitätsorientierte Publikationstätigkeit.<br />

Als in England 1642 der Bürgerkrieg ausbrach, liess Hobbes in Paris einen Privatdruck von De Cive<br />

erscheinen, obschon innerhalb seines dreiteiligen philosophischen Systems die Physik (De Corpore) und die<br />

Anthropologie (De Homine) der Lehre von Staat und Bürger methodisch hätte vorangehen müssen; vgl. dazu<br />

Hobbes’ eigene Angaben in De Cive, Thomas Hobbes: Vom Menschen; Vom Bürger. Elemente der Philosophie<br />

II/III, eingel. und hg. von Günter Gawlick, 3. Aufl., Hamburg: Felix Meiner 1994, S. 71f.<br />

24<br />

Vgl. Koselleck: Kritik und Krise, S. 18.<br />

25<br />

Vgl. ebd., S. 13.<br />

26<br />

Ebd., S. 21.<br />

27<br />

Schmitt: Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, S. 86. Der Trennung von innen und aussen<br />

widmet Schmitt das gesamte 5. Kapitel seiner Schrift, wobei er sich in der Hauptsache auf das 37. Kapitel von<br />

Hobbes’ Leviathan bezieht, das in der Frage des Wunderglaubens die Scheidung der privaten von der<br />

öffentlichen Vernunft vollzieht; vgl. dazu ebd. S. 79-97.<br />

28<br />

Ebd., S. 84f. bzw. Koselleck: Kritik und Krise, S. 30.<br />

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