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Gesetz ohne Gott

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sei, deren Reichweite einschränke, weshalb Legitimation mit Limitation einhergehe: „Der<br />

Souverän besitzt also einen wohlbestimmten Auftrag und keine carte blanche.“ 163 Unter dem<br />

Hinweis, dass der Souverän über vertraglich uneingeschränkte Autorisierung verfüge, werden<br />

am Ende des Aufsatzes Rechtslegitimation und Rechtslimitation hingegen nur mehr locker<br />

verknüpft, während carte blanche und wohlbestimmter Auftrag nicht mehr als Alternative,<br />

sondern kombiniert auftreten: „An keinerlei Vorgaben gebunden, erhält die oberste<br />

Staatsgewalt eine Blankovollmacht, die aber, wie gesagt, den Zweck, um dessentwillen die<br />

Staatsgewalt und ihre <strong>Gesetz</strong>e eingerichtet werden, garantiert.“ 164 Das einer contradictio in<br />

adjecto nahe stehende Bild einer letztlich doch eingeschränkten Blankovollmacht bringt den<br />

Widerstreit innerhalb der Hobbesschen Naturgesetze recht treffend zum Ausdruck. Freilich<br />

fasst Höffe diesen Widerstreit nicht als innernaturgesetzlich determinierte Angelegenheit,<br />

sondern mehr als Sache zwischen Naturgesetz auf der einen und Absolutismus auf der<br />

anderen Seite. 165 Die Tatsache, dass Hobbes mit dem Begriff eines limitierend wirkenden<br />

natürlichen <strong>Gesetz</strong>es in der Tradition der überpositiven Rechts- und Staatskritik verbleibt, gilt<br />

ihm deshalb als hinreichender Anlass, die Positivismusthese für Hobbes mehr zu verwerfen<br />

als anzunehmen: „Hobbes ist nicht in dem Sinn Ahnherr des neuzeitlichen<br />

Rechtspositivismus, dass er sich jener überpositiven Rechts- und Staatskritik widersetzt, die –<br />

zunächst unter dem Titel ‚göttliches <strong>Gesetz</strong>’, später als ‚Naturgesetz’ oder ‚Naturrecht’ und<br />

neuerdings als ‚Gerechtigkeit’ – über Jahrhunderte das Abendland bestimmt.“ 166 Dass Höffe<br />

positivistische Tendenzen nicht leugnen möchte, wird in seiner Angabe deutlich, dass er für<br />

die Titelthese des Aufsatzes „Sed authoritas, non veritas, facit legem“, die sich im 26. Kapitel<br />

des Leviathan findet, „eine nichtpositivistische, zumindest nicht rein positivistische<br />

Interpretation“ sucht. 167<br />

Dieselbe Ambivalenz findet sich bei Wolfgang Kersting. In Anbetracht der<br />

Letztinstanzlichkeit des Souveräns spricht er dem Leviathan zunächst jede naturrechtliche<br />

168<br />

Herrschaftslimitierung ab , ergänzt später aber, dass die Herrschaftsausübung<br />

163<br />

Höffe: „’Sed authoritas, non veritas, facit legem’“, S. 202.<br />

164<br />

Ebd., S. 210.<br />

165<br />

Vgl. ebd., S. 206.<br />

166<br />

Ebd., S. 202.<br />

167<br />

Ebd., S. 193. Ein bemerkenswertes Argument, weshalb Hobbes nicht rechtspositivistisch auszulegen sei, hat<br />

Mark C. Murphy vorgebracht. Murphy bestreitet die Möglichkeit eines Konflikts zwischen natürlichem und<br />

bürgerlichem <strong>Gesetz</strong>, weil alles, was die Selbsterhaltung unmittelbar gefährdet, vertraglich nicht veräussert<br />

werden kann und folglich nicht in den Status eines bürgerlichen <strong>Gesetz</strong>es gelangt. Da auf diese Weise das<br />

bürgerliche <strong>Gesetz</strong> mit dem natürlichen in Einklang steht, liegt Hobbes’ Konzeption nach Murphy einem<br />

naturgesetzlichen Verständnis der bürgerlichen <strong>Gesetz</strong>e deutlich näher als dem Rechtspositivismus. (Vgl. Mark<br />

C. Murphy: „Was Hobbes a Legal Positivist?“, in: Ethics, Vol. 105 No. 4 (1995), S. 846-873, 849-858.)<br />

Murphys Argument betrifft allerdings nur den ersten Vorrang des Widerstands, nicht aber die Zweck-Mittel-<br />

Kollision des zweiten und dritten Vorrangs, die erneut vor die rechtspositivistische Frage führt.<br />

168<br />

Vgl. Kersting: Thomas Hobbes zur Einführung, S. 181, 185, 190 und 193f.; ferner auch ders.: „Einleitung:<br />

Die Begründung der politischen Philosophie der Neuzeit im Leviathan“, in: ders. (Hg.): Thomas Hobbes:<br />

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