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Gesetz ohne Gott

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3.2.3 Der Vorrang des natürlichen <strong>Gesetz</strong>es als Aufhebung des natürlichen Rechts<br />

Das konjunktiv-disjunktive Verhältnis von natürlichem <strong>Gesetz</strong> und natürlichem Recht, ihre<br />

gegenstrebige Fügung, lässt sich durch die besondere Situierung des letzteren erklären.<br />

Während die Definitionspassage, in der eine Gegenüberstellung von ius und lex erfolgt, den<br />

Anschein gibt, beide Elemente kämen auf derselben Ebene zu liegen, zeigt sich an den ersten<br />

beiden Naturgesetzen deutlich die konstitutive hierarchische Integration, von der her ein<br />

Verständnis der Hobbesschen Naturrechtskonzeption allein zu gewinnen ist. 94 Das ius<br />

naturale tritt als integrativer Bestandteil der ersten zwei Naturgesetze in Erscheinung, wobei<br />

es in ihnen nicht bloss enthalten ist, sondern vielmehr aufgehoben wird in einem dreifachen<br />

Sinne, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Hegels Figur der Aufhebung zeigt. 95<br />

Aufgehoben im Sinne von „vernichtet“ wird das ius naturale, indem es dort seine Schranke<br />

finden und damit als ein Uneingeschränktes aufhören muss, wo Frieden bewirkt werden soll,<br />

wie ihn das natürliche <strong>Gesetz</strong> in seinem generellen Kerngehalt vorsieht. Eine solche<br />

Vernichtung ist im ersten <strong>Gesetz</strong> implizit, im zweiten, daraus abgeleiteten hingegen explizit<br />

angezeigt. In diesem Vernichtungsaspekt liegt das disjunktive Moment des Verhältnisses von<br />

natürlichem <strong>Gesetz</strong> und natürlichem Recht.<br />

Aufgehoben im Sinne von „bewahrt“ ist das Recht auf alle Mittel zur Selbsterhaltung dort,<br />

wo der Friedenswille das eigene Leben in Gefahr bringt. Es ist dies durchaus so zu verstehen,<br />

dass das natürliche Recht in einer gleichsam lokal-logischen Hinsicht im Innern des <strong>Gesetz</strong>es<br />

aufgehoben, d.h. nicht allein durch es bewahrt, vielmehr auch in ihm aufbewahrt ist. Das<br />

formale In-Sein des natürlichen Rechts innerhalb der Formulierung des ersten und zweiten<br />

natürlichen <strong>Gesetz</strong>es ist an ein inhaltliches In-Sein geknüpft. Dieses hat seinen Grund in der<br />

Funktionsäquivalenz von ius und lex hinsichtlich der Selbsterhaltung als gemeinsamem τέλος:<br />

Das natürliche <strong>Gesetz</strong> schliesst das natürliche Recht dadurch ein, dass die prinzipiell auf<br />

Frieden drängende Pflicht zur Selbsterhaltung, wo die eigene Existenz bedroht wird, aus sich<br />

selbst ein Recht auf sämtliche Mittel freigibt – gleichviel, ob mit diesen Mitteln auch dem<br />

Frieden gedient sei. Seinen Ausdruck findet das natürliche Recht demnach aber nur in<br />

denjenigen Zuständen, die wir als Ausnahme fassen können. Für die Allgemeinheit besteht<br />

ein solcher Ausnahmefall in dem immer schon zu verlassenden Naturzustand auf gleiche<br />

Weise wie im Bürgerkrieg, für den Einzelnen liegt er innerhalb des bürgerlichen Staates stets<br />

dann vor, wenn sein Leben auf dem Spiel steht. 96<br />

94 Vgl. ebd., S. 99f.<br />

95 Zur Figur der Aufhebung vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik I. Erster Teil: Die<br />

objektive Logik, erstes Buch, Werke in 20 Bd.en, Bd. 5, auf der Grundlage der Werke von 1832-1845 neu ed.<br />

Ausg., Red. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986, S. 113-115.<br />

96 Das exeundum e statu naturali, d.h. die Forderung, das bellum uniuscuiusque contra unumquemque durch<br />

einen Verzicht auf das ius in omnia zu überwinden, bildet das Fazit des 13. Kapitels des Leviathan (vgl.<br />

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