Gesetz ohne Gott
Gesetz ohne Gott
Gesetz ohne Gott
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Art, die auf das Gebot der Vertragseinhaltung abstellt: Das elfte natürliche <strong>Gesetz</strong> der<br />
Billigkeit, das der Positivität ihre Richtung vorgibt, läuft stets gegen das dritte natürliche<br />
<strong>Gesetz</strong> des schlichten pacta sunt servanda, auf dem der Staat samt der in ihm wirksamen<br />
Positivität beruht. Die Konkurrenz von Mittel und Zweck des Friedens, von Aktualität und<br />
Prinizipialität, erwächst somit nicht erst in einer Konfrontation von bürgerlicher Staatlichkeit<br />
und natürlichem <strong>Gesetz</strong>, sondern hat ihre Wurzel innerhalb der Struktur der natürlichen<br />
<strong>Gesetz</strong>e selbst. Denn im Gebot der Vertragseinhaltung findet sich das rechtssichernde<br />
Element, mit dem das bürgerliche <strong>Gesetz</strong> zu seiner Stütze und in dieser Stütze zu seiner<br />
Zweitrangigkeit gelangt.<br />
Im Gegensatz zum Fall der Ausnahme, in dem Selbsterhaltung allein durch Widerstand<br />
gegen den rechtssichernden Staat gelingt, kann sofortige Durchsetzung dem Anspruch der<br />
Billigkeit nicht gerecht werden, da sie, die das bürgerliche <strong>Gesetz</strong>eswesen in stetem Einklang<br />
mit den natürlichen Vernunftgesetzen zu gestalten fordert, auf den Staat als ihren eigentlichen<br />
Entfaltungsraum angewiesen bleibt. Dass das pacta sunt servanda seinerseits an der Billigkeit<br />
seine prinzipielle Schranke findet, wurde hinreichend dargelegt. Die Oszillation zwischen<br />
Rechtssicherheit als positivistischem Kernelement auf der einen Seite und naturgesetzlicher<br />
Zweckgerichtetheit auf der andern ist gleichsam in die Struktur der natürlichen <strong>Gesetz</strong>e<br />
hineinverlegt und strahlt von hier auf das Verhältnis von bürgerlichem und natürlichem<br />
<strong>Gesetz</strong> aus.<br />
Die potentielle Gegenläufigkeit des in der Rechtssicherheit bestehenden Mittels und des im<br />
Frieden bestehenden Zwecks scheint mir innerhalb des natürlichen <strong>Gesetz</strong>es deshalb nicht<br />
auflösbar, weil Zweck und Mittel sich nicht <strong>ohne</strong> Weiteres trennen lassen. Denn Hobbes sieht<br />
angesichts der zugrunde gelegten Anthropologie für den Zweck nur ein einziges Mittel: den<br />
Staat, der auf Rechtssicherheit nicht verzichten kann, weil er schlechterdings um ihretwillen<br />
besteht. Das Mittel rückt damit nahe an den Zweck und in der Tat scheint in der<br />
Rechtssicherheit solange der Zweck selbst zu liegen, als es nicht zum Härtefall der<br />
Existenzgefährdung kommt. Der Zweck rückt aber auch nahe an das Mittel, denn Billigkeit<br />
soll verhindern, dass die Menschen ihr Vertrauen in die Gerichte verlieren und den<br />
rechtssichernden Staat gefährden, indem sie ihren Streit auf eigene Hand ausfechten, was in<br />
den kriegerischen Naturzustand führen muss. 162<br />
Mir scheint, dass diese Verstricktheit von Mittel und Zweck, von klassisch positivistischen<br />
und klassisch naturrechtlichen Elementen, sich auch in der Auseinandersetzung mit Hobbes<br />
als Ambivalenz niederschlägt. In einem Aufsatz zur Frage nach dem Rechtspositivismus bei<br />
Hobbes hält Otfried Höffe zunächst fest, dass die Aufgabe, zu der die Staatsmacht verpflichtet<br />
162 Vgl. Hobbes: Leviathan, 1991, S. 119.<br />
48