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Gesetz ohne Gott

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Gehorsamspflicht und der Missachtungsfreiheit keinen vermittelnden Zusammenhang<br />

herstellt, was vor das Problem stellt, dass Hobbes die Freiheit im Staat zugleich als möglich<br />

und nicht möglich erachten müsste oder anders formuliert: dass Widerstand zugleich zulässig<br />

und unzulässig wäre. Wenn Skinner die Pflicht ihrer Bedeutung nach hinter der Freiheit<br />

zurückstellt, wird das Problem nicht eigentlich gelöst, sondern lediglich umgangen.<br />

Ein klärender Zusammenhang scheint hingegen auf, wenn gezeigt wird, dass Skinners<br />

Bestimmung der Hobbesschen Freiheit als eine Freiheit der Bewegung akzeptiert werden<br />

kann, <strong>ohne</strong> dass dadurch der problematische Schluss auf eine uneingeschränkte Freiheit im<br />

Staat notwendig wird. Um diesen Nachweis anhand der These der Aufhebung zu erbringen,<br />

soll die bei Skinner aufgeworfene Frage nach der Autorisierung des Souveräns auf einen<br />

weiteren Aspekt hin beleuchtet werden. 117 Skinner betont die Widersprüchlichkeit, in die sich<br />

ein Bürger begibt, wenn er dem Souverän, den er zu all seinen Handlungen, damit auch zu all<br />

seinen <strong>Gesetz</strong>en vorgängig ermächtigt hat, den Gehorsam verweigert. 118<br />

Der Punkt, den ich<br />

hervorheben möchte, besteht darin, dass dem Gehorsam durch die Autorisierung zugleich<br />

Zweck und Grenze gesetzt wird:<br />

„Ferner ist die Zustimmung eines Untertans zur souveränen Gewalt in den Worten enthalten:<br />

‚Ich autorisiere alle ihre Handlungen oder nehme sie auf mich.’ Darin liegt nicht die geringste<br />

Beschränkung seiner früheren natürlichen Freiheit, denn wenn ich dem Souverän erlaube, mich<br />

zu töten, so bin ich nicht verpflichtet, mich auf seinen Befehl hin selbst zu töten.“ 119<br />

Was freiheitsbewahrend wirkt, ist das von Luhmann im weiter oben stehenden Zitat<br />

geleugnete Recht auf Widerstand. In der Tat wurde die Frage, ob es bei Hobbes ein<br />

Widerstandsrecht geben könne, kontrovers diskutiert. Eine Antwort scheint mir allerdings<br />

möglich, wenn man sich bewusst zu machen sucht, aus welcher Quelle sich dieses Recht<br />

speist und in welchen Kanälen es gehalten wird. Da der Souverän, wie Hobbes es im 18.<br />

Kapitel des Leviathan darlegt, durch die Rechtsübertragung jedes Einzelnen in all seinen<br />

Handlungen autorisiert wurde, ist es nicht rechtens, ihn absetzen oder gar töten zu wollen und<br />

selbst für die eigenen Bestrafungen hat jeder die volle Autorschaft zu tragen. 120 Angesichts<br />

solch apodiktisch daherkommender Äusserungen ist für Carl Schmitt ein Widerstandsrecht<br />

„auf einer Ebene mit dem staatlichen Recht in jeder Hinsicht, faktisch wie rechtlich,<br />

widersinnig und eine Absurdität.“ 121<br />

Dem ist zuzustimmen. Für ein Widerstandsrecht in<br />

117 Zu Hobbes’ Theorie der Autorisierung vgl. ebd., S. 108-110 sowie ders.: „Hobbes on Representation“, in:<br />

European Journal of Philosophy, Bd. 13 H. 2 (2005), S. 155-184 bzw. die überarbeitete und gekürzte Fassung<br />

dieses Aufsatzes als 5. Kapitel („Hobbes als Theoretiker der politischen Repräsentation“) in ders.: Visionen des<br />

Politischen, hg. und mit einem Nachwort von Marion Heinz und Martin Ruehl, aus dem Englischen von Robin<br />

Celikates und Eva Engels, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2009, S. 173-195.<br />

118 Vgl. Skinner: Freiheit und Pflicht, S. 108f.<br />

119 Hobbes: Leviathan, 1991, S. 168f.<br />

120 Vgl. ebd., S. 136-139.<br />

121 Schmitt: Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, S. 71.<br />

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