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Gesetz ohne Gott

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Recht sind Rechtsnormen zu verstehen, die durch Entscheidung in Geltung gesetzt worden<br />

sind und demgemäss durch Entscheidung wieder ausser Kraft gesetzt werden können.“ 268<br />

Weil die grundlegende Erstentscheidung, was Recht und was Unrecht sei, nicht weniger als<br />

jede andere Entscheidung auch hätte anders ausfallen können, findet das Recht in seinem<br />

Anfang keinen festen Boden.<br />

Von diesem Punkt her liesse sich Luhmanns Beschreibung ganz als Feststellung der<br />

dezisionistischen Fundierung des Rechts lesen. Wenn „die Entscheidung sich nicht<br />

entscheiden“ kann, droht denn auch nach Andreas Fischer-Lescano und Ralph Christensen<br />

sich „jener Abgrund aufzutun, über den im Fall des Rechts nach Carl Schmitt nur der<br />

269<br />

dezisionistische Sprung helfen kann.“ Doch versuchen die beiden Autoren in ihrem<br />

Aufsatz, der sich eine systemtheoretische Dekonstruktion des Dezisionismus zum Ziel nimmt,<br />

gegenteilig nachzuweisen, dass gerade Luhmann das theoretische Rüstzeug an die Hand gibt,<br />

solchen Sprung zu vermeiden, <strong>ohne</strong> die Entscheidung zu leugnen. Dass dies kaum gelingen<br />

kann, sollen die folgenden Ausführungen zeigen.<br />

Eine wesentliche Differenz zwischen Schmitt und Luhmann liegt in der Frage nach dem<br />

Woher der Entscheidung. Stellt Schmitt ganz auf die Eigenmächtigkeit des Souveräns ab, so<br />

betont Luhmann die soziale Determiniertheit allen Entscheidens. Dieses wird ihm zufolge<br />

stets von normativen Entscheidungsprämissen abhängen, die von der Gesellschaft vorgegeben<br />

270<br />

sind. Es ist eben dieser Aspekt, an den Fischer-Lescano und Christensen anschliessen,<br />

wenn sie die systemtheoretischen Ansätze Luhmanns vom entschlossenen Dezisionismus Carl<br />

Schmitts abgrenzen: Während Schmitt die soziale Umwelt von Entscheidungsprozessen<br />

ausblende und stattdessen in subjektivistischer Manier allein auf Personen, genauer: „auf<br />

individuelle Idiosynkrasien“ 271<br />

des Entscheiders abstelle, finde sich bei Luhmann eine<br />

gesellschaftliche Kontextualisierung angelegt, über deren weiterführende Konturierung ein<br />

festerer Grund für das Recht zu erhoffen sei.<br />

Weil Luhmann die Entscheidung nicht als etwas ansieht, „was im Kopf eines Individuums<br />

stattfindet“, sondern als soziale Operation, mithin als kommunikatives Ereignis, bleibt jede<br />

Entscheidung an die Notwendigkeit ihrer Rechtfertigung geknüpft; stets muss die<br />

Entscheidung eine Meta-Information mitkommunizieren, die begründet, weshalb die<br />

268 Ders.: Legitimation durch Verfahren, S. 141.<br />

269 Andreas Fischer-Lescano und Ralph Christensen: „Auctoritatis interpositio. Die Dekonstruktion des<br />

Dezisionismus durch die Systemtheorie“, in: Der Staat. Zeitschrift für Staatslehre und Verfassungsgeschichte,<br />

deutsches und europäisches öffentliches Recht, Bd. 44 H. 1 (2005), S. 213-241, 222.<br />

270 Vgl. Luhmann: Legitimation durch Verfahren, S. 141.<br />

271 Fischer-Lescano/Christensen: „Auctoritatis interpositio“, S. 228. Die Kritik an der sozialen Kontextblindheit<br />

der Schmittschen Theorie wird auf S. 226-228 ausgeführt.<br />

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