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Gesetz ohne Gott

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Demnach stellt Schmitt die Autonomie der Souveränität dadurch her, dass er die Staatsgenese<br />

als einen Fall von Emergenz beschreibt. Dem Absolutismus, verstanden als Loslösung des<br />

Souveräns von den ihn einsetzenden Kräften, ist damit ein fester Boden bereitet – ein Boden,<br />

der sich so bei Hobbes nicht findet und der sich nur über entschiedene Bewirtschaftung und<br />

Umpflügung des Hobbesschen Gedankenguts gewinnen lässt. Was auf diesem neuen Boden<br />

spriesst, bleibt in die absolutistische Furche gefügt.<br />

Die weitreichendste Folge zeitigt dies in der Schmittschen Marginalisierung des<br />

Hobbesschen Widerstandsrechts. Dass es für Hobbes ein unveräusserliches Recht darstellt,<br />

denen Widerstand zu leisten, die mit Gewalt das eigene Leben bedrohen und dass deshalb<br />

auch eine staatlich legitimierte Strafe, indem sie Gewalt bedeutet, niemals einen Verzicht auf<br />

Widerstand gebieten kann, wird von Schmitt unterschlagen. 253 Zwar räumt er ein, dass wo<br />

Sicherheit und Schutz der Staatsunterworfenen ein Ende nehmen, auch der Staat aufhört und<br />

jede Gehorsamspflicht entfällt. 254 Zugleich tritt aber das bei Hobbes staatstragende<br />

konsensuelle Element, das dem Staat den Zweck und dem Widerstand den Grund gibt, in den<br />

Schatten personalisierter Dezision. Die Fokussierung auf die souveräne Person unter<br />

Rückstufung der vertragschliessenden Individuen eröffnet Schmitt die Möglichkeit, die<br />

Staatswerdung insgesamt um vieles dezisionistischer aufzufassen, als bei Hobbes angelegt. In<br />

der Schrift Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens wird der<br />

Vertragsgedanke während der Auseinandersetzung mit Hobbes mit keinem Wort erwähnt:<br />

„Wer die Ruhe, Sicherheit und Ordnung herstellt, ist Souverän und hat alle Autorität.“ 255<br />

Solche Herstellung der Ordnung ist für Schmitt nichts anderes als „echte und reine<br />

Entscheidung“ 256 , so dass der Staat hier nicht aus dem Kontrakt aller Einzelnen, ja noch nicht<br />

einmal anlässlich dieses Kontraktes, sondern allein durch die Durchsetzung der Dezision<br />

erwächst: „Die souveräne Entscheidung ist der absolute Anfang, und der Anfang (auch im<br />

Sinne von ἀρχή) ist nichts als souveräne Entscheidung.“ 257<br />

Eine weitere Stütze erhält der Dezisionismus durch die Radikalisierung des zweiten Teiles<br />

des Hobbesschen Diktums. Während das 26. Kapitel des Leviathan, das von den bürgerlichen<br />

<strong>Gesetz</strong>en handelt, die Rückbindung des Souveräns an das ewige <strong>Gesetz</strong> der Billigkeit<br />

thematisiert, was ich an früherer Stelle ausführlich dargelegt habe, greift Schmitt das „non<br />

253<br />

Vgl. dazu Hobbes: Leviathan, 1991, S. 101f. und 107.<br />

254<br />

Vgl. Schmitt: Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, S. 113.<br />

255<br />

Ders.: Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, S. 23.<br />

256<br />

Ebd.<br />

257<br />

Ebd., S. 23f. Dass der „aktive Nihilismus“ Schmitts, der eine ungebundene Entscheidung postuliert, sich zu<br />

Unrecht in Hobbes’ Nähe wähnt, bemerkt auch Karl Löwith: „Der okkasionelle Dezisionismus von C. Schmitt“,<br />

in: ders.: Gesammelte Abhandlungen. Zur Kritik der geschichtlichen Existenz, Stuttgart: W. Kohlhammer 1960,<br />

S. 93-126, 102.<br />

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