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Gesetz ohne Gott

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Lehrsätze als im Wort <strong>Gott</strong>es verkündigt, der rechtmässig allen Dingen befiehlt, so werden sie<br />

zu Recht <strong>Gesetz</strong>e genannt.“ 70 Es ist dieser göttliche Gebotscharakter, aus dem A. E. Taylor<br />

Geltung und Verpflichtungskraft der natürlichen <strong>Gesetz</strong>e abgeleitet wissen wollte. Nur wenn<br />

das natürliche <strong>Gesetz</strong> zugleich Gebot <strong>Gott</strong>es ist, kann sich für Taylor das Hobbessche<br />

Theorieprogramm als stimmig erweisen: „A certain kind of theism is absolutely necessary to<br />

make the theory work.“ 71 Entsprechend ist für Taylor das natürliche <strong>Gesetz</strong> gerade deshalb zu<br />

befolgen, weil es <strong>Gott</strong>es Gebot ist. 72<br />

Dass sich die Geltung der natürlichen <strong>Gesetz</strong>e hingegen<br />

nicht aus ihrer Göttlichkeit, sondern aus ihrer Vernünftigkeit speist, habe ich am Ende des<br />

zweiten Kapitels dargelegt. Doch zweifellos stünden wir vor einem Problem, wenn bei<br />

Hobbes die <strong>Gesetz</strong>lichkeit der Naturgesetze in ihrem Befehlscharakter, ihre Geltung aber in<br />

autarker Vernunfteinsicht verankert wäre. Denn <strong>Gesetz</strong>lichkeit und Geltung eines <strong>Gesetz</strong>es<br />

lassen sich nicht trennen, ist doch ein <strong>Gesetz</strong> deshalb <strong>Gesetz</strong>, weil ihm Geltung zukommt.<br />

Das Problem ergibt sich daraus, dass es Hobbes schwer fällt, das Faktum einer Geltung aus<br />

Vernunftgründen <strong>ohne</strong> weiteres an das Faktum der <strong>Gesetz</strong>lichkeit zu binden. Denn<br />

<strong>Gesetz</strong>lichkeit bedarf für ihn des Erlasses und der Durchsetzung von Seiten einer tatsächlich<br />

73<br />

souveränen Gewalt – sei sie nun göttlich oder staatlich. Diese Deutlichkeit erfährt ihre<br />

Abschwächung allerdings dadurch, dass die natürlichen <strong>Gesetz</strong>e als vernünftig einsehbare in<br />

foro interno verpflichten, „das heisst sie verpflichten zu dem Wunsch, dass sie gelten mögen,<br />

aber in foro externo, das heisst zu ihrer Anwendung, nicht immer.“ 74 Nur zu einem Bemühen<br />

verpflichten sie und wer sich darum bemüht, dass sie allgemein gelten, was allein unter<br />

souveräner Zwangsgewalt geschehen kann, der hat sie erfüllt – erfüllt, noch bevor sie durch<br />

Befehl erlassen und erzwungen wurden. 75 Diese vorgängige <strong>Gesetz</strong>eskraft kommt den<br />

natürlichen <strong>Gesetz</strong>en im individuellen Innern zu, d.h. dort, wo die Vernunft einerseits dem<br />

Zwang der staatlichen Gewalt entzogen bleibt, andererseits ein Primat vor dem als göttlich<br />

Behaupteten wahrt – gerade dort also, wo ein heteronomer Befehl nicht greifen kann. 76<br />

70<br />

Hobbes: Leviathan, 1991, S. 122. Eine Parallelstelle findet sich am Ende des 3. Kapitels von De Cive, vgl.<br />

ders.: Vom Menschen; Vom Bürger, S. 114.<br />

71<br />

A. E. Taylor: „Eine naturrechtliche Interpretation der politischen Philosophie Hobbes’“, in: Wolfgang<br />

Kersting (Hg.): Thomas Hobbes: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen<br />

Staates (Klassiker Auslegen, Bd. 5), 2., bearb. Aufl., Berlin: Akademie Verlag 2008, S. 127-143, 142.<br />

72<br />

Vgl. ebd., S. 140.<br />

73<br />

Vgl. auch Hobbes: Leviathan, 1991, S. 205 und 212, wo Hobbes festhält, dass natürliche <strong>Gesetz</strong>e nur als<br />

staatliche zum <strong>Gesetz</strong> werden. Zitiert finden sich die betreffenden Stellen zu Beginn meines Kapitels 3.1. Dass<br />

<strong>Gott</strong> seine Herrschaft über die Menschen „nicht in seiner Eigenschaft als Schöpfer oder Gnadenspender, sondern<br />

als Allmächtiger“, d.h. aber aufgrund seiner tatsächlich souveränen Gewalt übt, vermerkt Hobbes ebd., S. 273.<br />

74<br />

Ebd., S. 121.<br />

75<br />

Vgl. ebd. sowie ebd., S. 131.<br />

76<br />

So auch Bernard Willms: Thomas Hobbes. Das Reich des Leviathan, München/Zürich: Piper 1987, S. 145:<br />

„’Forum internum’ heisst, dass die ganze Argumentation innerhalb des Zirkels des Selbstbezuges bleibt. Der<br />

Verpflichtende und der Verpflichtete sind ein und derselbe. Die Verpflichtung bezieht sich prinzipiell auf die<br />

Selbsterhaltung, und sie geht als Vernunftanweisung von den einzelnen selbst aus.“<br />

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