Gesetz ohne Gott
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ausgegebenes <strong>Gesetz</strong> auch tatsächlich ein von <strong>Gott</strong> ausgegebenes ist. 38 Zwar können auch<br />
positive göttliche <strong>Gesetz</strong>e nie widervernünftig sein, da es in <strong>Gott</strong>es Wort schlechterdings<br />
nichts gibt, was der Vernunft widerspricht; da aber <strong>Gott</strong>es Wort zugleich vieles enthält, was<br />
über die menschliche Vernunft geht, ist es nicht zwingend vernünftig erkennbar. 39 Drei Wege<br />
nennt Hobbes, die das Wort <strong>Gott</strong>es zur Verkündigung seiner <strong>Gesetz</strong>e nimmt: Die Vorschriften<br />
der natürlichen Vernunft, die Offenbarung und die Prophetie. Auf dem ersten eröffnen sich<br />
die natürlichen <strong>Gesetz</strong>e, auf den beiden übrigen haben wir die positiven göttlichen <strong>Gesetz</strong>e zu<br />
sehen. Läuft keiner der drei Wege der Vernunft zuwider, so ist doch nur ersterer auf dem Weg<br />
der Vernunft erkennbar. 40<br />
Zwei aneinander anschliessende Konsequenzen ergeben sich daraus. Zum einen wird das<br />
natürliche <strong>Gesetz</strong> aller Inhalte entledigt, die über die Vernunft nicht einzusehen sind; das<br />
Kriterium der vernünftigen Erkennbarkeit wird zum Kriterium des natürlichen <strong>Gesetz</strong>es.<br />
Vernünftiges und vernünftig Erkennbares dürfen dabei nicht vermengt werden: Während<br />
Vernünftigkeit dem natürlichen <strong>Gesetz</strong> schon deshalb eignen muss, weil es, wenn ewig und<br />
allgemeingültig, auch göttlich, wenn aber göttlich, dann auch vernünftig ist, so bietet erst das<br />
Merkmal des Intelligiblen die Möglichkeit einer Unterscheidung von dem, was <strong>Gott</strong>es Wort<br />
41<br />
im Übrigen gebietet. Zum andern nun erlangt das natürliche <strong>Gesetz</strong> aufgrund seiner<br />
vernünftigen Einsehbarkeit Gehorsamspriorität vor diesen übrigen Geboten. Denn die<br />
natürliche Vernunft, die Hobbes als „das unbezweifelbare Wort <strong>Gott</strong>es“ 42<br />
bezeichnet, wird<br />
über jenes gehoben, was hinsichtlich seiner Göttlichkeit in Zweifel steht.<br />
Nicht anders als in der Trennung von Gewissen und Glauben setzt auch hier die säkulare<br />
Argumentation an einem Punkt an, der innerhalb der Religion liegt. Man mag vermuten, dass<br />
eine solche Unterwanderung von innen in beiden Fällen grössere Wirkung zeigt als jeder<br />
atheistische Angriff aus äusserer Distanz. Die Warte, von der her argumentiert wird, ist erneut<br />
der Vorbehalt des forum internum, das nun allerdings nicht einen primär religiösen, vielmehr<br />
einen rationalistischen Ort bietet: Die Betrachtung nimmt ihren Lauf von der Vernunft her,<br />
denn nicht kann, was sich als Göttliches etikettiert, allein deshalb als Vernünftiges in Betracht<br />
kommen, sondern umgekehrt liegt, wo ein <strong>Gesetz</strong> aus der natürlichen Vernunft folgt, der<br />
Schluss auf Göttliches nahe. Gerade im <strong>Gesetz</strong> der Natur, „das unzweifelhaft göttliches<br />
43<br />
<strong>Gesetz</strong> ist“ , wird der säkulare Ansatz frappanterweise durchschlägig. Denn vernünftige<br />
Erkennbarkeit ist dem natürlichen <strong>Gesetz</strong> nicht nur Stempel seiner Göttlichkeit, sondern<br />
38<br />
Vgl. ebd., S. 218-220.<br />
39<br />
Vgl. ebd., S. 285.<br />
40<br />
Vgl. ebd., S. 272.<br />
41<br />
Dass alle natürlichen <strong>Gesetz</strong>e, weil ewig und allgemeingültig, göttlich sind, findet sich ebd., S. 218, dass<br />
göttliches Wort nicht wider die Vernunft sein kann ebd., S. 285.<br />
42<br />
Ebd., S. 285.<br />
43<br />
Ebd., S. 219.<br />
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