Gesetz ohne Gott
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Staatsmacht einbeschrieben ist. Denn nur wo die innere Überzeugung belassen wird, sind<br />
religiös verhärtete Fronten zusammenzuführen. 29<br />
Bis zu diesem Punkt schliesse ich mich<br />
Kosellecks Hobbes-Deutung an. Um den Zusammenhang zwischen innerer Glaubensfreiheit<br />
und religiös neutraler Staatskonzeption weiter hervortreten zu lassen, möchte ich einige<br />
eigene Überlegungen anfügen, bevor mich ein Vorbehalt gegenüber Kosellecks weiteren<br />
Ausführungen zur Frage des folgenden Kapitels führen wird.<br />
Glaube bildet für Hobbes „eine Gabe <strong>Gott</strong>es, die der Mensch durch Versprechen von<br />
30<br />
Belohnungen und Androhen von Folter weder geben noch nehmen kann.“ Doch steht er<br />
nicht allein ausserhalb menschlicher Befehlsgewalt, vielmehr kann er als Geschenk <strong>Gott</strong>es<br />
auch keine Pflicht darstellen, die man diesem gegenüber zu erfüllen hat. 31 Wenn die<br />
Gedanken des Privatmannes frei sind, so untersteht der Mensch als Bürger den Vorgaben des<br />
Souveräns. Gilt es deshalb den Glauben nach aussen zu bekennen, „so muss sich die private<br />
Vernunft der öffentlichen unterwerfen, das heisst dem Statthalter <strong>Gott</strong>es.“ 32 In dieser Rolle<br />
sieht Hobbes freilich nicht religiöse Würdenträger. Da das Reich Christi nicht von dieser Welt<br />
sei, komme seinen Dienern keinerlei Zwangsgewalt zu, wo ihnen nicht eine bürgerliche<br />
Gewalt zur Seite steht. 33 Über Befehlsgewalt in Bekenntnissachen verfügt daher allein der<br />
Souverän, der auf diese Weise kirchliche und bürgerliche Gewalt in sich vereint. 34<br />
Unmissverständlich wird das Faktum dieser auch geistlichen Kompetenz auf dem Titelkupfer<br />
der englischen Erstausgabe von 1651 jeder textlichen Erläuterung vorausgeschickt: Unter dem<br />
Vers Hiob 41, 24 „non est potestas super terram quae comparetur ei“ ist der gekrönte<br />
Souverän abgebildet, in der rechten Hand ein Schwert, in der linken einen Bischofsstab, die<br />
Arme schützend über einer friedlichen Stadt.<br />
Paradoxerweise ist es gerade die äussere religiöse Herrschaft, welche die religiöse<br />
Neutralisierung des Staates betreibt. Carl Schmitt, dem der Begriff der Neutralisierung<br />
entliehen ist, sieht in der Entscheidung einer staatlich-weltlichen Obrigkeit über das<br />
Bekenntnis im Sinne eines cuius regio, eius religio freilich „keine Neutralisierung, sondern<br />
zunächst eher das Gegenteil, nämlich eine dogmatische Positivierung gegenüber der Eigenart<br />
29<br />
Vgl. Koselleck: Kritik und Krise, S. 7f. und 29-31.<br />
30<br />
Thomas Hobbes: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, hg. und<br />
eingel. von Iring Fetscher, übers. von Walter Euchner, 4. Aufl., Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991, S. 381.<br />
31<br />
Vgl. ebd., S. 219f.<br />
32<br />
Ebd., S. 340.<br />
33<br />
Vgl. ebd., S. 379-382. Da Hobbes vor dem Hintergrund eines Konfliktes christlicher Konfessionen schreibt,<br />
bedient er sich an dieser Stelle eines allgemeinchristlichen Argumentationsschrittes. Die Zweifel an der<br />
säkularen Grundtendenz seiner Beweisführung können daher erst an der Stelle ausgeräumt werden, wo er sich<br />
auf die Vernunft bezieht.<br />
34<br />
Vgl. dazu auch ebd., S. 279f., wo Hobbes dem Souverän die Gewalt zuspricht, über die auch für<br />
Privatpersonen verbindliche Gestaltung des öffentlichen <strong>Gott</strong>esdienstes zu entscheiden.<br />
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