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Gesetz ohne Gott

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abweichender Meinungen des konfessionellen Gegners oder Nachbarn.“ 35 Dass allerdings<br />

gerade dieses Zunächst in eine Neutralisierung umschlagen muss, ist der Punkt, auf den es<br />

hier ankommt. Denn dass über das Bekenntnis bestimmt, wer die wirkliche Gewalt innehat,<br />

verhindert umgekehrt, dass jemand, weil er sich im wahren Glauben wähnt, Anspruch auf<br />

Herrschaft erheben kann. Nicht die wahre Religion entscheidet über Herrschaft, sondern die<br />

blosse Herrschaft über eine jeweilige Religion. Im Staat zeigt sich damit ein Vorrang der<br />

Macht und entsprechend eine Relativierung der Religion in ihrem Anspruch auf Wirksamkeit.<br />

Zugleich tritt die Staatsreligion mit bescheidenem Wahrheitsanspruch auf, indem sich jede<br />

Einflussnahme auf den Bereich äusserer Religiosität beschränkt und die Entscheidung über<br />

einen für wahr gehaltenen Glauben dem forum internum des privaten Einzelnen überlassen<br />

bleibt. 36<br />

Beides, die Gewalt über das Bekenntnis wie das Belassen des Glaubens, trägt seinen<br />

Teil bei zur Schwächung der Religion als Werkzeug des Staates.<br />

Eine religiöse Neutralisierung erfahren bei Hobbes auch die den Staat begründenden<br />

<strong>Gesetz</strong>e der Natur. Auch hier fällt dem aus der Trennung von innen und aussen<br />

hervorgehenden forum internum die entscheidende Rolle zu. Denn als innerer Vorbehalt<br />

gewährt es nicht allein individuelle religiöse Anschauungen, sondern errichtet zugleich ein die<br />

Gehorsamspflicht sprengendes Primat des vernünftig Erkennbaren vor dem bloss als göttlich<br />

Behaupteten. Die göttlichen <strong>Gesetz</strong>e unterscheidet Hobbes in natürliche und positive, wobei<br />

er die Entscheidung, was unter letzteren in Betracht kommen soll, der äusseren religiösen<br />

Verfügungsgewalt des Souveräns anheim stellt. Hobbes hält fest,<br />

„dass in allen Dingen, die nicht dem moralischen <strong>Gesetz</strong>, das heisst dem <strong>Gesetz</strong> der Natur,<br />

widersprechen, alle Untertanen verpflichtet sind, den Vorschriften zu gehorchen, die die<br />

staatlichen <strong>Gesetz</strong>e zum göttlichen <strong>Gesetz</strong> erklären. Das leuchtet auch der Vernunft eines jeden<br />

ein. Denn was nicht dem <strong>Gesetz</strong> der Natur widerspricht, kann im Namen des Inhabers der<br />

souveränen Gewalt zum <strong>Gesetz</strong> gemacht werden, und es gibt keinen Grund, warum es die<br />

Menschen weniger verpflichten soll, wenn es im Namen <strong>Gott</strong>es verkündet wird.“ 37<br />

Den positiven göttlichen <strong>Gesetz</strong>en, die als spezifische Befehle <strong>Gott</strong>es in bestimmten<br />

Situationen an bestimmte Personen ergehen, gilt es nur insoweit nachzukommen, als sie dem<br />

natürlichen <strong>Gesetz</strong> nicht widersprechen. Diese Einschränkung hat ihren Grund darin, dass<br />

mittels der natürlichen Vernunft nicht einzusehen ist, ob ein positives, für göttlich<br />

35<br />

Schmitt: „Die vollendete Reformation“, S. 62. Die Neutralisierung verortet Schmitt hingegen in einer<br />

zunehmend offenen Formulierung des Bekenntnisses, dessen Inhalt sich schliesslich nur noch auf „ein Häufchen<br />

Wertphilosophie“ beschränkt; vgl. ebd., S. 62f.<br />

36<br />

In diesen Zusammenhang gehört auch, dass Hobbes statt des Gewissensbegriffs (conscience) bevorzugt den<br />

Begriff der von Wahrheit und Wissen verschiedenen Meinung (opinion) verwendet; vgl. dazu Koselleck: Kritik<br />

und Krise, S. 21.<br />

37<br />

Hobbes: Leviathan, 1991, S. 220f. Die Gliederung der göttlichen <strong>Gesetz</strong>e in allgemeine natürliche und<br />

spezifische positive erfolgt ebd., S. 218.<br />

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